Die Mitarbeiter der Finanzmarktaufsicht arbeiten von daheim aus, in Kurzarbeit ist keiner. "Manche arbeiten jetzt Tag und Nacht", sagt Helmut Ettl, der sein Büro auch nach Hause verlegt hat.

STANDARD: Österreichs Banken sind sehr gefordert, müssen Kredite stunden und massenhaft neue geben. Wie lange halten sie das aus?

Ettl: Die Banken stehen stabil da, haben mit 16 Prozent die höchste Eigenkapitalausstattung ever und wenig notleidende Kredite (NPL). Aus ihren Puffern können sie die Wirtschaft weiterfinanzieren.

STANDARD: Nicht alle, die jetzt Geld bekommen, werden zurückzahlen können. Gibt es Prognosen, wie sich die NPL entwickeln?

Dividendenverbot für alle? FMA-Chef Helmut Ettl glaubt, dass alle Opfer bringen müssen, damit nicht nur ein Teil der Gesellschaft zahlen muss.
Foto: Regine Hendrich

Ettl: Nein, das wäre pure Spekulation. Corona ist nicht nur für die Gesundheit tückisch, sondern auch bezüglich seiner Wirkung auf die Wirtschaft. Diese Art der Krise kennen wir nicht, wir haben keine Erfahrungswerte. Wir können nur sagen, dass wir alles unternehmen müssen, um durch die Krise zu kommen und dass Banken- und Finanzsektor helfen, die Auswirkungen zu dämpfen. Wir Aufseher stellen sicher, dass das Geld schnell fließen kann, keine unnötigen Hürden bestehen. Wichtig sind auch die massiven staatlichen Hilfs- und Stützungspakete für Unternehmen wie private Haushalte, das hilft auch den Banken.

STANDARD: Manche Institute sollen trotzdem sehr bürokratisch vorgehen.

Ettl: Wir sind in der dritten Woche des Shutdown, da kann es schon noch operationelle Probleme geben. Wir sprechen tagtäglich mit allen Bankenchefs, und es arbeiten wirklich alle daran, dass die Kanäle offen und Finanzierungen gesichert bleiben, dass der Absturz der Wirtschaft aufgehalten wird. Unternehmen, die schon vor der Krise sehr schwach waren, geraten jetzt natürlich in besondere Probleme.

STANDARD: Notenbank-Chef Holzmann sieht es als positive Wirkung der Krise, wenn kranke Unternehmen aus dem Markt kippen.

Ettl: Dieser Ansicht bin ich nicht. Diese Krise hat keine positiven Effekte, nur negative. Unser Job ist es, möglichst große Teile der österreichischen Wirtschaft durchzubringen, die meisten Unternehmen sind ja bis jetzt gut aufgestellt gewesen. Es wird sicher Schäden geben, die müssen wir minimieren.

STANDARD: Wie hoch sind die Puffer, die die Banken jetzt nützen können, und wie viel Geld kann man damit lockermachen?

Ettl: Die freigegebenen Puffer betragen 38 Milliarden Euro. Damit kann man – vereinfacht gesagt – ein Finanzierungsvolumen von rund 300 Milliarden Euro abstützen.

STANDARD: Wie hoch ist das Risiko, dass die Unternehmen die Banken anstecken?

Ettl: Für die nächste Zeit ist das Bankensystem sehr gut aufgestellt. Dauert die Krise aber lange, werden auch die Puffer irgendwann aufgebraucht sein. Wann das sein wird, kann niemand sagen. Wenn wir das Land in den nächsten drei Monaten wieder aufsperren, wird das Bankensystem keinen großen Schaden nehmen.

STANDARD: Banken zahlen zumindest bis Oktober keine Dividenden, andere Unternehmen diskutieren noch. Was halten Sie von einem Dividendenverbot?

Ettl: Wir wissen, dass wir gerade durch eine ganz, ganz tiefe Krise gehen, und daher ist es für niemanden ratsam, seine Reserven auszuhöhlen. Ist doch klar.

STANDARD: Ein Unternehmen, das für Kurzarbeit staatliche Unterstützung bekommt und seinen Aktionären Dividenden zahlt: Ist das nicht zumindest unanständig?

Ettl: Am besten werden wir als Gesellschaft dann durch die Krise kommen, wenn alle zusammenstehen. Und da weiß jeder, dass alle Opfer in Kauf nehmen müssen. Anders wird es nicht gehen. Es kann nicht sein, dass nur ein Teil der Gesellschaft zahlen muss.

STANDARD: Auch das Thema Verstaatlichung zum Schutz wichtiger Unternehmen wird diskutiert. Kann das eine Möglichkeit sein?

Ettl: Wir wissen nicht, wie es weitergeht, man muss sich daher den gesamten Werkzeugkasten offenhalten.

STANDARD: Wann wird Ihr neuer Vorstandskollege bestellt? Der Job ist nur interimistisch besetzt,

Ettl: Die Ausschreibungsfrist hat am 31. März geendet. Ich bin mit meinem Vorstandskollegen voll handlungsfähig, und wir schauen auch, dass die jetzige Situation nicht von Gangstern ausgenützt wird, die den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen. Es ist erstaunlich, wie schnell sich die auf die neue Situation einstellen.

STANDARD: Was machen sie?

Ettl: Beginnt damit, dass nette Menschen älteren anbieten, ihnen Geld aus der Bank zu holen, endet bei kriminellen Internetaktivitäten, die jetzt einfach gehen, weil jeder vor dem Bildschirm sitzt. (Renate Graber, 3.4.2020)