Es ist noch nicht lange her, da durfte man bedenkenlos nahe beisammenstehen und sich sogar ins Gesicht fassen, wie Viktor Orbán und Sebastian Kurz im Februar bei einem Gipfeltreffen der EU in Brüssel.

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"Zutiefst besorgt" über einige in der Corona-Krise von EU-Mitgliedern gesetzte Maßnahmen äußerten sich 13 EU-Länder in einer gemeinsamen Erklärung, die das niederländische Außenministerium am späten Mittwochabend veröffentlichte. Ganz offensichtlich ist das Statement im Namen von Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal, Spanien und Schweden – Lettland schloss sich nachträglich an – gegen Ungarn gerichtet, ohne das Land explizit zu nennen. Dort hatte sich Premier Viktor Orbán mit einem Notstandsgesetz unbefristet weitreichende Vollmachten im Kampf gegen das Coronavirus gesichert und das Parlament ausgeschaltet.

"In dieser beispiellosen Situation" sei es zwar legitim, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen, hieß es in dem Statement, an dem sich Österreichs Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht beteiligte. Notmaßnahmen sollten jedoch auf unbedingt Erforderliches beschränkt und verhältnismäßig sein: "Wir sind zutiefst besorgt über die Gefahr von Verstößen gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Grundrechte."

Zusammenarbeit und Bedenken

Österreich wähle den Weg des direkten Gesprächs, erklärte ein Sprecher des Europaministeriums gegenüber dem STANDARD. Ministerin Karoline Edtstadler sei wegen der engen Zusammenarbeit in der Bewältigung der Corona-Krise im ständigen Austausch mit ihrer ungarischen Amtskollegin Judit Varga. Dabei habe Edtstadler auch ihre großen Bedenken über das Notstandsgesetz angemeldet, insbesondere wegen der Nichtbefristung der verhängten Maßnahmen. Sie sei auch mit Kommissionsvizechefin Vera Jourová in Kontakt. Diese habe ihr zugesichert, die Kommission werde die Corona-Maßnahmen aller Länder, also auch jene Ungarns, genau auf ihre Grundrechtsmäßigkeit prüfen.

Österreichs Grenzgebiet zu Ungarn ist von der durch das Coronavirus ausgelösten Krise besonders betroffen, da hier ein hoher Anteil von Pendlern zur Arbeit über die Grenze muss. Insbesondere das südliche Burgenland ist auf die Arbeitskräfte aus Ungarn angewiesen. Auffällig ist jedenfalls, dass sich unter den 14 Unterstützern des Statements kein einziges Nachbarland Ungarns befindet.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen richtete sich am Donnerstag mit ihrer Kritik direkt an Ungarn, nachdem sie zuletzt schon allgemeinere Besorgnis verlauten ließ. Sie sei "besorgt, dass bestimmte Maßnahmen zu weit gehen. Und ich bin insbesondere über die Situation in Ungarn besorgt." Die Kommission werde nötigenfalls handeln, stellte sie Orbán die Rute ins Fenster. (Michael Vosatka, 2.4.2020)