In Österreich sind etwa die Hälfte aller Schmetterlings- und Heuschreckenarten stark gefährdet.

Foto: Apa/GLOBAL 2000/Bluehendes Oesterreich/Eva Maria

Es gibt zwei Alltagsbeobachtung, die uns vor Augen führen, dass um uns herum immer weniger Insekten leben. So sagt etwa die Farbe der Blumenwiesen etwas darüber aus, ob sich Insekten wohlfühlen und überleben oder nicht. Auf vielen Wiesen dominiert Gelb. Das deutet auf mangelnde Artenvielfalt und Insektenschwund hin, sagt Dominik Linhard, Biologe bei der Umweltschutzorganisation Global 2000. Die Farbe Gelb sei ein Zufall. Hahnenfuß und Löwenzahn würden eben dort wachsen, wo der Boden durch Überdüngung nährstoffreich, aber artenarm sei. Pflanzenvielfalt und Wildkräuter sind es, die Schmetterlinge, Wildbiene und Käfer zum Überleben brauchen.

Eine andere Alltagsbeobachtung können vor allem die Älteren unter uns machen. In den letzten Jahrzehnten sind die Windschutzscheiben nach langen Fahrten auf der Landstraße sauberer. Es gibt weniger Insekten, die den Autos zum Opfer fallen können. Das, wovon Wiesen und Autofahrten zeugen, lässt sich auch in Zahlen gießen: Seit 1990 ging der Insektenbestand weltweit um 75 Prozent zurück, 30 Prozent der Arten sind weltweit bedroht. In Österreich sind etwa die Hälfte aller Schmetterlings- und Heuschreckenarten stark gefährdet.

Illustration: Fatih Aydogdu

Schmetterlinge in Wien

In der Hauptstadt Wien sind es vor allem Schmetterlinge, die langsam verschwinden. An sich herrscht in der Millionenstadt eine große Artenvielfalt. Wien ist sogar, relativ gesehen, das schmetterlingsreichste Bundesland Österreichs. Bei 415 Quadratkilometern Fläche wurden bisher 2554 Schmetterlingsarten nachgewiesen – mehr als im Burgenland, in Salzburg oder Vorarlberg. Doch während österreichweit nur fünf Arten seit 1989 verschwunden sind, sind in Wien im selben Zeitraum 32 Arten regional ausgestorben. Abgase und Lichtverschmutzung sind die Verursacher des Sterbens.

Ernährung sichern

Außerhalb der Städte fehlen vor allem jene Insekten, die für die Bestäubung der landwirtschaftlichen Pflanzen zuständig sind. Ganze 75 Prozent unserer wichtigsten Kulturpflanzenarten sind von der Bestäubung durch Insekten abhängig. Es gäbe eine Faustregel, sagt Linhard: Alle Lebensmittel, die uns Vitamine liefern, sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Äpfel, Marillen, Gurken oder auch Paradeiser brauchen Insekten. Ein besonderer Fall seien Tomaten, sagt der Biologe, sie würden zwar auch durch Wind bestäubt, aber die zusätzliche Bestäubung durch Insekten steigere die Erträge. In Gewächshäusern, wo inzwischen der Großteil unserer Tomaten wächst, braucht man eben Hummeln.

Die aktuelle Pandemie würde zeigen, wie wichtig es ist, ein sicheres Ernährungssystem in Krisenzeiten zu haben. "Wenn die wichtigen Insekten weg sind, dann ist die Ernährungssicherheit in Gefahr", sagt Linhard. "Wer unsere Nahrungsmittelversorgung sicherstellen will, muss das Artensterben stoppen und Lebensräume erhalten. Und dazu muss eine kleinteilige, ökologische Landwirtschaft mit vielfältigen Strukturen gefördert werden", plädiert der Biologe. (os, 3.4.2020)