Johanna Mikl-Leitner war früher Innenministerin, jetzt ist sie Landeshauptfrau in Niederösterreich. Topbeamte der Polizei sind ihr nach St. Pölten in den Landesdienst gefolgt.

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Niederösterreich scheint ein guter Boden für einen Neuanfang zu sein. Zumindest wenn man vorher in leitender Position im Innenministerium tätig war. Nach dem ehemaligen Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, übersiedelt nun auch der bisherige Vizechef des Bundeskriminalamts, Michael Fischer, von Wien nach St. Pölten; konkret zur Landeskliniken-Holding. Kogler ist dort der für Personalfragen zuständige Geschäftsführer, Fischer soll die Forschungs- und Innovationsabteilung übernehmen.

Abgesegnet hat den Deal Koglers und Fischers frühere und jetzige Chefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Niederösterreichs Landeshauptfrau war ja von 2011 bis 2016 Innenministerin, Fischer war vorübergehend in ihrem Kabinett.

Doppelspitze Lang/Lang

Im Bundeskriminalmt (BK) gibt es künftig eine Doppelspitze Lang/Lang. Neuer Vizedirektor wird Gerhard Lang. Er übernimmt aber auch interimistisch den Chefsessel, weil der eigentliche Direktor, Franz Lang (nicht verwandt), seit zwei Jahren ebenfalls interimistisch Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit ist. Der Kuddelmuddel ergab sich, weil unter Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) mehrere Spitzenbeamte ihren Hut genommen hatten und eine geregelte Neubesetzung der Ibiza-Affäre zum Opfer fiel.

Übergangsminister Wolfgang Peschorn hätte die Misere gerne aus der Welt geschafft, doch mehrere von ihm einberufene Sitzungen mit Vertretern aller Parlamentsparteien blieben erfolglos. Im kommenden Jahr, wenn Franz Lang in den Ruhestand tritt, sollen alle Posten neu ausgeschrieben werden.

Bodyguard des Papstes

Gerhard Lang kennt das BK wie seine Westentasche. Der langjährige Abteilungsleiter koordinierte die Ermittlungen im Entführungsfall Natascha Kampusch, war Chefermittler im Fall Bank Burgenland, er leitete 2003 die Taskforce zur Befreiung der österreichischen Geiseln in Algerien und war 1999 Bodyguard des Papstes.

Eher peinlich in Erinnerung ist eine Homestory über Gerhard Lang im privaten PR-Magazin "Österreich sicher", die ihn unter anderem daheim auf dem Hometrainer mit umgehängtem Badetuch zeigte. Weil der Beitrag als "entgeltliche Einschaltung" gekennzeichnet war, geriet das Innenministerium unter Verdacht, den Jubelartikel finanziert zu haben. Was aber laut Ministerium nicht der Fall war. Der Sponsorhinweis sei irrtümlich erfolgt, hieß es.

Größter Klinikbetreiber Österreichs

Der Jobwechsel von Michael Fischer zur Landeskliniken-Holding erfolgt zu einem heiklen Zeitpunkt. Der Dachverband von 27 Kliniken in Niederösterreich ist derzeit voll damit beschäftigt, die Corona-Krise zu meistern. Als größter Klinikbetreiber Österreichs beschäftigt die Holding 3.800 Ärztinnen und Ärzte sowie rund 10.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Pflege.

Laut Konrad Kogler wurde Fischer, der seit 2015 im BK war, für "Innovationsmanagement" ins Boot geholt. Dass die beiden Burgenländer Beruf und Bundesland gewechselt haben, dürfte auch der starken Achse Innenministerium-Niederösterreich zu verdanken sein.

Blaugelbe Konstante seit 20 Jahren

Die blau-gelbe Konstante zog vor zwanzig Jahren mit Ernst Strasser als Innenminister in die Wiener Herrengasse ein. Strasser ist zwar Oberösterreicher, doch sein Wirken vor seiner Ministerära konzentrierte sich viele Jahre auf das Bundesland rund um Wien. Er war Präsident des Niederösterreichischen Hilfswerks, er war ÖVP-Abgeordneter und Klubobmann seiner Partei im Landtag sowie Geschäftsführer der Schwarzen in Niederösterreich.

Drei seiner Nachfolger als Minister kamen ebenfalls direkt aus der niederösterreichischen ÖVP: Liese Prokop, Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka. Sie waren mit Ausnahme von Maria Fekter aus Oberösterreich jeweils länger im Amt als die anderen Innenminister seit dem Jahr 2000. Strasser, Prokop, Mikl-Leitner und Sobotka haben – mit Unterbrechungen – 13 Jahre lang blau-gelbe Fäden ins Innenministerium gezogen.

Zweitjobs von Spitzenbeamten

In dieser Zeit ist etwa die akademische Ausbildung der Polizei auf neue Füße gestellt worden. Natürlich in Niederösterreich. Der Bachelor-Studiengang "Polizeiliche Führung" und das Masterstudium "Strategisches Sicherheitsmanagement" werden an der Fachhochschule (FH) Wiener Neustadt angeboten. Dort ist auch schon lange die Sicherheitsakademie des Innenministeriums angesiedelt.

Vor allem Niederösterreich-freundliche Ministerinnen und Minister gewährten Mitarbeitern der Führungsebene, an der FH zu lehren. Michael Fischer, der jetzt vom Bundeskriminalamt zur Landeskliniken-Holding wechselt, war sogar Studiengangsleiter an der FH – neben seinem eigentlichen Vollzeitjob. In manchen Semestern unterrichteten in Wiener Neustadt bis zu zehn hochrangige Polizei- oder Ministeriumsbeamte. Was auch den Bürgermeister der Bezirkshauptstadt, Klaus Schneeberger, freuen dürfte. Und zwar in doppelter Hinsicht, denn der langjährige Klubobmann der ÖVP Niederösterreich ist auch der Aufsichtsratsvorsitzende der FH.

Auch SPÖ-Chef war Polizist

Diese Zweitjobs von Spitzenbeamten sind auch der politischen Gegenseite aufgefallen. Niederösterreichs SPÖ-Chef Franz Schnabl sprach von einer "schiefen Optik" und äußerte den Verdacht, dass die Vergabe der beschränkten FH-Plätze nach parteipolitischen Kriterien erfolgt sein könnte. Bemerkenswerterweise ist auch er ein ehemaliger Spitzenbeamter der Polizei. Schnabl war als Generalinspektor der Sicherheitswache der ranghöchste Uniformierte in Wien. Im Zuge der Polizeireform unter Ernst Strasser wurde das Sicherheitswachekorps aufgelöst. Heute ist Schnabl roter Landesrat für Gemeindeagenden, Wasserwirtschaft und Konsumentenschutz. Auch ohne guten Wind aus dem Ministerium und aus dem Landhaus kann also einem Ex-Polizisten ein Neuanfang in Niederösterreich gelingen. (Michael Simoner, 3.4.2020)