"Nicht Auflagezahlen beziehungsweise Einschaltquoten dürfen für Medienförderungen maßgeblich sein, sondern die inhaltliche Qualität der Medien", erklärt ROG-Präsidentin Rubina Möhring.

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Die Journalistengewerkschaft kritisiert die geplante Corona-Sonderförderung für Medien: Die Förderung für Tageszeitungen nach der Druckauflage sei "keinesfalls ausgereift", sondern "eine massive Wettbewerbsverzerrung", erklärt Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp. Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert, der erste Entwurf für eine Corona-Medienförderung bevorzuge Boulevardmedien.

Unterschiedliche Geschäftsmodelle

Die Corona-Krise habe die Medienunternehmen in einer bereits schwierigen Situation getroffen, argumentiert Kullmann. Erlöseinbrüche im Anzeigengeschäft brächten die Unternehmen unter enormen wirtschaftlichen Druck. Die Journalistengewerkschaft in der GPA-djp hat mit Erleichterung vernommen, dass die Bundesregierung die brisante Situation erkannt hat und ein Hilfspaket schnürt.

Aber, so Kullmann: "Zwei völlig unterschiedliche Geschäftsmodelle werden damit über einen Leisten geschoren. Es liegt in der Natur der Sache, dass Gratiszeitungen deutlich höhere Auflagen drucken können, weil sie nicht dem Verkaufszwang unterliegen." Außerdem wird unter völlig anderen Voraussetzungen produziert: "Die Kauf-Tages- und Wochenzeitungen unterliegen Kollektivverträgen und haben dadurch deutlich höhere Personalkosten als Unternehmen, für die es keine Grenze nach unten gibt." Diesem Umstand müsse Rechnung getragen werden. Zudem müsse ein Förderkriterium die Anerkennung des Presserates sein, ließ der Journalistengewerkschafter am Freitag verlauten.

"Wir fordern, dass Zeitungen, die ihre zahlenden Leser tagtäglich aufs Neue überzeugen müssen, anders behandelt werden als Gratismedien, die nach dem jetzt vorliegenden Modell das größte Stück des Kuchens abbekommen würden." Die Gewerkschaft wendet sich damit nicht gegen die Förderung von Gratismedien und begrüßt Hilfen zum Erhalt der dortigen Arbeitsplätze. "Aber wir brauchen Fairplay", sagt Kullmann.

Geplant laut Entwurf vom Donnerstag

Die Corona-Sonderförderungen gehen an Tageszeitungen, kommerzielle und nicht kommerzielle Privatsender. Tageszeitungen werden nach der durchschnittlichen Druckauflage 2019 gefördert. Damit bekommen die "Kronen Zeitung" und die Gratiszeitungen "Heute" und "Oe24" (mit "Österreich") die höchsten Förderungen – eine erste Berechnung finden Sie hier.

Kommerzielle Privatsender bekommen 15 Millionen Euro Sonderförderung. Bei der regulären Förderung, seit 2019 20 statt 15 Millionen pro Jahr, gingen zuletzt die höchsten Beträge an ProSiebenSat1Puls4 sowie an Oe24.tv. Nicht kommerzielle Privatsender erhalten zu bisher drei zwei Millionen Sonderförderung.

Der Nationalrat soll die Sonderförderungen am Freitag beschließen.

Update Freitag 3.4., 9 Uhr: Die Grünen kündigen eine Änderung der geplanten Medien-Sonderförderung an. Nach ersten Informationen soll die Förderung pro gedrucktes Exemplar reduziert werden und im Gegenzug eine Vertriebsförderung für Kauf-Tageszeitungen und Kauf-Wochenzeitungen dazukommen.

Reporter ohne Grenzen: "Bevorzugung der Boulevardmedien"

"Nicht Auflagezahlen beziehungsweise Einschaltquoten dürfen für Medienförderungen maßgeblich sein, sondern die inhaltliche Qualität der Medien", kommentiert ROG-Präsidentin Rubina Möhring aus Anlass der geplanten österreichischen Medien-Sonderförderung für Folgen der Corona-Krise. Möhring sieht eine "Bevorzugung der Boulevardmedien" in der Sonderförderung.

Möhring vermisst "Verhältnismäßigkeit bei der Verteilung dieser Sonderförderungen". Österreichs Medienförderungen sollten "längst in Richtung Förderung von Qualitätsmedien novelliert" sein, findet sie.

Update Freitag, 3.4., 15 Uhr: In einem offenen Brief protestiert das freie Radio Orange 94.0 gegen die Medienförderung. Kommerzielle Medien würden "durch die zahlende Öffentlichkeit zusätzlich zu bereits schon völlig unverhältnismäßigen Förderungen weiter aufgefettet". Orange 94.0 verlangt "eine öffentliche Mediendebatte unter Einbeziehung unser Expertise, unserer Interessen, unserer Leistungen für eine Informationsgesellschaft der Zukunft im direkten Anschluss an die Corona-Pandemie." Es könne nicht sein, dass die Regierung vor allem die lautesten, kommerziellen, qualitätsarmen und contentschwachen bevorzugt, weil sie angeblich höhere Reichweiten als qualitätsvolle, arbeitsintensive, inhaltsreiche und kritische Medien besitzen." (red, 3.4.2020)