Mit dem Artikel "Mord im Gemeindebau: Jetzt muss es schnell gehen" vom November 2019 verstieß krone.at gegen den journalistischen Ehrenkodex.

Foto: Screenshot krone.at

Wien – Der Artikel "Mord im Gemeindebau: Jetzt kann es schnell gehen", erschienen im November 2019 auf krone.at verstieß gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. In dem Artikel wurde berichtet, dass in einem Wiener Gemeindebau ein Mann von einem Nachbarn nach einem Streit erschossen worden sei. Dem Artikel sind mehrere Bilder beigefügt, darunter auch ein Foto, das den Getöteten zeigt, wie er gerade eine Kamera hält um ein Foto zu machen. Sein Gesicht ist dabei nicht verpixelt, allerdings ist der untere Teil des Gesichts (Kinn, Mund, Nase und das linke Auge) durch seine Hand bzw. seinen Unterarm verdeckt. Dasselbe Foto wurde auch bei der Ankündigung des Artikels auf der Startseite verwendet.

Ein Leser wandte sich an den Presserat und kritisierte die unverpixelte Veröffentlichung dieses Fotos. Die Medieninhaberin von krone.at gab gegenüber dem Presserat keine schriftliche Stellungnahme ab und nahm an der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht teil.

Persönlichkeitssphäre ist auch über den Tod hinaus zu wahren

Der Senat verweist zunächst auf seine bisherige Entscheidungspraxis, wonach unverpixelte Fotos eines Mordopfers grundsätzlich geeignet sind, in die Persönlichkeitssphäre der ermordeten Person einzugreifen. Zudem betont der Senat, dass die Persönlichkeitssphäre eines Menschen auch über dessen Tod hinaus zu wahren ist. Im konkreten Fall war das Gesicht des Mordopfers zwar teilweise verdeckt. Dieser Umstand reicht jedoch nicht aus, weil das Opfer – zumindest für dessen Bekanntenkreis – erkennbar bleibt. Dafür spricht, dass neben dem rechten Ohr und dem rechten Auge des Opfers auch der auffällige Haaransatz und die markante Brille zu sehen sind, so der Senat.

Da das Opfer auch keine allgemein bekannte Person war, hätte auf die Anonymitätsinteressen des Opfers und der Angehörigen entsprechend Rücksicht genommen werden müssen. Nach Ansicht des Senats war die Bildveröffentlichung nicht erforderlich, um dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit Genüge zu tun. Sie beeinträchtigt die Trauerarbeit der Angehörigen und folglich auch deren Persönlichkeitsschutz.

Presserat setzt sich für verantwortungsvollen Journalismus ein

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig. Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein selbständiges Verfahren durch. In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht.

Die Medieninhaberin von krone.at hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht. (red, 3.4.2020)