Das Rote Kreuz koordiniert, im Hintergrund arbeiten viele Entwickler aus zunehmend unterschiedlichen Projekten.

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Die "Stopp Corona"-App des Roten Kreuzes hat eine klare Zielsetzung. Durch die Dokumentation von Kontakten mit anderen Personen soll sie dabei helfen, die Ausbreitung von Covid-19 zu minimieren. Immerhin können dann beim Auftreten eines Krankheitsfalls all jene gewarnt werden, die in näherem Kontakt standen – so zumindest das Versprechen. Bisher setzt man dabei ganz auf einen manuellen "Handshake" – die Nutzer müssen die Daten also aktiv von Smartphone zu Smartphone tauschen. Das soll sich ändern: Nach Ostern soll es eine neue Version der App geben, die den Abgleich automatisiert vornehmen soll, verkündete man am Freitag.

Hilfestellung

Ein ziemlich ambitionierter Zeitplan, für den man sich nun auch externe Hilfe sucht. Wie beide Seiten gegenüber dem STANDARD bestätigen, gibt es derzeit Diskussionen über eine Kooperation des Roten Kreuzes mit den Entwicklern von Novid20. Auch mit dem gerade erst vorgestellten, europaweiten Pepp-PT-Projekt sei man im Gespräch, bestätigt die Firma Accenture, die für das Rote Kreuz die App entwickelt.

Novid20

Bei Novid20 handelt es sich nach eigenen Angaben um einen gemeinnützigen Zusammenschluss von über 80 Experten, Softwareentwicklern und Datenschutzrechtlern. Deren Ziel war bisher, eine eigene App zu entwickeln, die sehr ähnliche Versprechen wie jene des Roten Kreuzes bot: die Aufzeichnung von Kontakten mit "ansteckungsrelevanter Nähe und Dauer" – allerdings eben komplett automatisiert. Die App soll zwar prinzipiell weiterverfolgt werden, allerdings nur für andere Länder, heißt es auf Nachfrage. In Österreich werde sie hingegen nicht veröffentlicht werden, hier wolle man sich auf eine Kooperation mit dem Roten Kreuz konzentrieren.

Dass diese auch zustandekommt, ist dabei zwar noch nicht endgültig gesichert, Accenture betont aber auf Nachfrage, dass man angesichts der aktuellen Situation bemüht sei, alle verfügbaren Kräfte zu bündeln. Die technologischen Details erarbeite man derzeit erst, ein Ziel sei aber, auch jenen Teil der österreichischen Bevölkerung zu erreichen, der kein eigenes Smartphone hat. Genau das verspricht Novid20 über den Einsatz von Bluetooth Beacons in einem dem STANDARD vorliegenden Datenblatt.

Technische Fragen

Eine offene Frage scheint derzeit noch, welche Technologie schlussendlich zum automatisierten Scan zum Einsatz kommt. Novid20 spricht hier von der Nutzung einer Mischung aus Bluetooth- und Mobilfunkinformationen, während das Rote Kreuz bisher die Google-Nearby-Technologie verwendete, die den Handshake über Bluetooth und Ultraschall vornimmt. Das funktioniert zwar für den manuellen Austausch gut, Google selbst rät aber davon ab, dies durchgehend zu benutzen, da sonst der Akkuverbrauch des Smartphones um den Faktor 2,5 bis 3,5 erhöht wird. Ob dies bei der von Novid20 genutzten Technologie besser ist, ist allerdings unklar.

Detailfragen zur technischen Implementation wollte das Novid20-Projekt nicht beantworten. Insofern ist es derzeit auch nicht möglich zu beurteilen, wie zuverlässig so ein System überhaupt funktionieren kann. Genau das stellt aber für die Einschätzung der Sinnhaftigkeit solcher Apps im Allgemeinen eine zentrale Frage dar. Immerhin könnten falsche Ergebnisse im schlimmsten Fall mehr Probleme erzeugen als lösen.

Accenture will sich in Hinblick auf die technische Umsetzung ebenfalls nicht festlegen. Derzeit werde parallel an mehreren technologischen Varianten gearbeitet, um eine zeitnahe Verfügbarkeit zu sichern. Dabei stehe man auch im engen Austausch mit Datenschutzinstituten, Universitäten und natürlich auch dem eigenen Auftragsgeber – dem Roten Kreuz.

Pepp-PT

Gleichzeitig bestätigt Accenture, dass man Gespräche mit dem europaweiten Pepp-PT-Projekt aufgenommen hat. Dessen Ziel ist die Schaffung jener Basistechnologien für das sogenannte Proximity Tracing, die die Basis für ähnliche Apps wie jene des Roten Kreuzes darstellen soll. Man habe zwar mittlerweile Early-Adopter-Zugänge, wann und ob man Pepp-PT integrieren wird, lässt man aber noch offen. Ganz generell bitten die Entwickler um Geduld, die Entwicklung erfolge derzeit unter sehr hohem Zeitdruck, womit man nicht immer umgehend reagieren könne. So habe man sich auch zum Ziel gesetzt, die App als Open Source freizugeben. Auf einen Zeitpunkt könne man sich aber noch nicht festlegen.

Auswirkungen

Offen bleiben bei all diesen technischen Fragen bisher die gesellschaftspolitischen Auswirkungen. So wird immer wieder die Möglichkeit, Ausgangslockerungen mit der "freiwilligen" Nutzung einer solchen App zu kombinieren, in die Diskussion gebracht. Genau vor solch einer Kopplung warnen aber Kritiker, da dies manche Gesellschaftsschichten ausschließen und generell die Freiwilligkeit der App-Nutzung unterwandern würde. (Andreas Proschofsky, 3.4.2020)