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Ernst Mayr beschäftigt sich derzeit in erster Linie mit den begehrten Schutzmasken, konferiert mit China, holt Angebote in Polen und in Österreich ein. Zwischen fünfzig Cent und fünf Euro schwankt der Preis. Nicht, dass der Miteigentümer der Fussl Modestraße mit Sitz in Ort im Innkreis sie jetzt brauchen könnte. Seine Helden, wie er seine Beschäftigten nennt, sind in Kurzarbeit. Aber Mayr will vorbereitet sein. Deswegen probiert er selbst gerade aus, wie sich so eine Maske beim Tragen anfühlt und was er seinen Mitarbeitern im Mai zumuten kann. Dann, so hofft er zumindest, kann er seine 150 Filialen wieder aufsperren.

Wenn Mayr derzeit mit Zahlen hantiert, stellt er vielfach ein Fragezeichen in den Raum. Wie wird das Jahr ausgehen? Mit Verlusten, aber man werde die Krise überleben. Wer, wenn nicht ein kerngesundes Unternehmen wie Fussl so Mayr. Im vergangenen Jahr habe man das beste der Geschichte erzielt, mit 143 Millionen Euro Umsatz. Ein paar Rechnungen hat Mayr auch für heuer schon angestellt: 400.000 Euro werden die Masken kosten. Bis zum 18. März hat Fussl die verordnete Geschäftsschließung 40 Millionen Euro Umsatz gekostet und 20 Millionen Rendite. Denn den Großteil des Geschäfts mache man in normalen Zeiten rund um den Frühlingsbeginn. Die Eigenkapitalquote werde wohl heuer kräftig schmelzen – auf 20 Prozent. Da haben andere größere Probleme.

Für den Modehandel wäre jetzt eigentlich Hochzeit. Die Frühjahrsmode liegt bereit – nur abgeholt werden kann sie nicht. Zumindest nicht in den Geschäften.
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Der Modebranche ging es schon vor der Krise teilweise nicht allzu gut. Die Kunden wanderten ins Internet ab – und da vor allem zu großen internationalen Playern wie Zalando. Die Konzentration im Modehandel nahm zu, die Branche mit 38.000 Beschäftigen wird von internationalen Ketten wie H&M, Zara und Co dominiert. Man verabschiedete sich leise aus den stationären Flächen. Die deutsche Kette C&A sperrte zuletzt hierzulande 30 Filialen zu. Die Corona-Krise wird als Brandbeschleuniger wirken, so Hannes Lindner von der Badener Standortberatung +Markt.

Was vorher schon wirtschaftlich taumelte, fällt dem zu erwartenden ökonomischen Flächenbrand zum Opfer, lautet seine nüchterne Einschätzung. Jahr für Jahr verringerte sich der Flächenanteil der Mode im Angebot der heimischen Cities, von rund 35 Prozent 2013 auf zuletzt unter 30 Prozent. Lindner geht davon aus, dass Veränderungen nun in einer Geschwindigkeit kommen, "die wir 2019 und davor für nicht möglich gehalten hätten."

Beschleunigter Wandel

Auch wenn Umsatzrentabilität und Eigenkapitalquote bei den Betrieben insgesamt gestiegen sind: Für die vielen Einzelkämpfer – fast 90 Prozent der Branche – könnte "Corona zur Legitimation einer ohnedies absehbaren Schließung werden, nur eben früher", so Lindner: Zu mürbe habe so manchen Akteur die Geschäftstätigkeit der letzten Jahre gemacht. 100 Millionen Euro Umsatz verliert der Modehandel derzeit – pro Woche. Daran schlucken alle schwer.

Topmanager aus der internationalen Modebranche erwarten laut Erhebungen der internationalen Berater-Gruppe Boston Consulting (BCG) für 2020 einen Umsatzrückgang in der Branche von 20 bis 25 Prozent, was etwa 270 bis 340 Milliarden Euro entspricht. BCG-Experte Felix Krüger geht davon aus, dass die Spuren, die die Krise hinterlässt, in Österreich besonders heftig sein werden. In Ländern mit höherem E-Commerce-Anteil im Handel sei der Effekt wohl etwas geringer.

Wie groß die Lust auf schicke neue Teile nach der Krise ist, bleibt abzuwarten.
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Jutta Pemsel, Modehandels-Obfrau der Wirtschaftskammer, hofft dennoch, dass viele der rund 3500 Betriebe, die meisten mit weniger als zehn Beschäftigten, überleben. Derzeit werde österreichweit um Mietstundungen, oder Reduktionen verhandelt, Kurzarbeit hätten die meisten schon angemeldet. Dazu komme: "Die Ware wird zwar nicht so schlecht wie eine Banane, ab sie wird auch schlecht." Die Frühjahrsware sei bezahlt. Könne man sie nicht bald verkaufen, könne der kalkulierte Preis nicht erzielt werden.

Ein Problem, das Große, Mittelgroße und kleine eint. Auch die internationalen Ketten schicken ihre Mitarbeiter auf Kurzarbeit – H&M seine rund 2800 Beschäftigten, Zara rund 1000 Mitarbeiter, Kurzarbeit gibt es auch bei den Diskontern Takko, NKD und Primark. Die Branche liegt im Wachkoma.

"Anfällig" seien auch die großen, sagt Standortberater Lindner. Durch teilweise aufblähte Filialnetze mit hohen Standort- und Personalkosten, die Eigentümern und Finanziers (Banken) den Angstschweiß auf die Stirn treiben würden. Das beabsichtigte Aussetzen von Mietzahlungen in Deutschland und die Drohgebärden hierzulande, bei Einforderung des Ausgleichs von Umsatzverlusten, seien als eindeutige Indizien zu werten, dass so manchem Betrieb das Wasser bis zum Hals stehe. (Regina Bruckner, 4.4.2020)