Traten im Nationalrat mit Masken auf: Kanzler Kurz (ÖVP, r.), Bildungsminister Faßmann (ÖVP, m) und Justizministerin Zadic (Grüne, l)

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Mitten in der Coronakrise steuerte der Nationalrat am Freitag auf einen Showdown zu – weil Türkis-Grün im Eiltempo ein drittes Gesetzespaket zur Eindämmung der Pandemie geschnürt hatte, begehrte die rot-blau-pinke Opposition erstmals wütend dagegen auf.

Zu Mittag, quasi zu High Noon, traten Vertreter von SPÖ, FPÖ und Neos ans Rednerpult hinter einer Plexiglasscheibe, um gegen diese Vorgangsweise zu protestieren. Konkret hatten die Regierungsfraktionen über 90 Gesetzesanträge zur Bekämpfung der Auswirkungen des Coronavirus formuliert und der Opposition kurz davor zur Kenntnis gebracht, die – wieder im nationalen Schulterschluss, also parteiübergreifend – abgesegnet werden sollten.

"Das sind bei Gott keine Kleinigkeiten!"

Angesichts der unübersichtlichen Sammelgesetze hielt der rote Vizeklubchef Jörg Leichtfried fest: "So kann man nicht arbeiten!" Schon bei den vorangegangenen Paketen habe sich die Opposition konstruktiv eingebracht, und jetzt heiße es erneut, für vier Abänderungsanträge der SPÖ sei "keine Zeit". Einer davon betreffe das SPÖ-Begehren, in Wien doch die Bundesgärten wieder zu öffnen. Leichtfrieds Fazit: "Wir werden sehen, wie Sie mit unseren Anträgen umgehen!" Erst dann entscheide seine Fraktion, ob man den neuen türkis-grünen Maßnahmen seinen Sanktus gebe.

In Rage geriet auch FPÖ-Klubchef Herbert Kickl: "Das ist kein seriöser Parlamentarismus! Das ist die Bulldozer-Methode!", rief er. Die Blauen stießen sich vor allem an der "unglaublichen Bürokratie", die die Regierung rund um die Hilfsmaßnahmen schaffe.

Nikolaus Scherak, Vizeklubchef der Neos, rief in Erinnerung, dass die Opposition wegen der anhaltenden Krise bisher auf die üblichen Fristen verzichtet habe. Nun aber lägen erst recht wieder riesige Gesetzeswerke vor, die es abzunicken gelte, obwohl sich neben der Ausweitung des Budgetrahmens unter den neuen Maßnahmen auch Eingriffe in den Datenschutz fänden – eine Anspielung darauf, dass etwa Gesundheitsdaten an Bürgermeister weitergereicht werden könnten. Scherak: "Das sind bei Gott keine Kleinigkeiten!"

Zwischenrufe trotz Masken

Im Plenarsaal war die Stimmung am Kochen, es setzte viele Zwischenrufe – und das, obwohl nicht wenige Abgeordnete Masken trugen, wie es in den Supermärkten ab Wochenbeginn als unabdingbar gilt. Die türkis-grünen Klubchefs August Wöginger und Sigrid Maurer versuchten zu beruhigen. "Wir schauen uns ihre Anträge an!", versprach Wöginger in Richtung SPÖ. Aber derzeit arbeite die Legistik des Parlaments "Tag und Nacht". Maurer bat erneut um einen "Schulterschluss", die knappe Übermittlung der Materien sei "keine Bösartigkeit".

Erst danach konnte das Plenum zur eigentlichen Tagesordnung übergehen – am Programm standen erneut Erklärungen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinem Vize Werner Kogler (Grüne), die auf der Regierungsbank die Begehrlichkeiten der Opposition ebenfalls mit Nasen-Mund-Schutz verfolgt hatten.

Der türkise Regierungschef legte seine Rede auch mit beruhigenden Worten an: Über das Wochenende werde die Regierung zu der sich verlangsamenden Erkrankungskurve beraten und am Montag bekanntgeben, ob und wann etwa der Handel wieder hochgefahren werden könne.

Angesichts der Osterfeiertage rief Kurz dazu auf, auf Familienfeiern und Zusammenkünfte zu verzichten – "damit wir bald wieder das Leben führen können mit den Menschen, die wir so lieben". Auch für das 38 Milliarden schwere Hilfspaket warb der Kanzler, damit das Land in einem Jahr sagen könne, man habe die Krankheit besiegt, Menschenleben gerettet – der Wirtschaftsstandort möge dann ein Comeback feiern. Zuvor hatte schon Vizekanzler Kogler ein bedachtes Hochfahren der Wirtschaft angedeutet. Auch er appellierte vorerst dafür: "Wir kommen da raus", besser als andere – jedoch nur, wenn weiterhin Abstand gehalten werde.

Kompromisse mit der SPÖ zeichneten sich ab

Nach einer zeitlichen Verschiebung der Abstimmung in die späten Abendstunden samt Sitzungsunterbrechung durch den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ) zeichneten sich am Freitag Kompromisse der Koalitionäre mit der SPÖ ab, um das dritte Corona-Paket auf den Weg zu bringen: Im Gespräch war, dass das Arbeitsmarktservice personell aufgestockt werden soll und dass die Anspruchsdauer von Arbeitslosengeld im Zuge der Coronakrise nicht verkürzt wird. Da umfangreiche Abänderungen vorgenommen werden sollten, verzögerte sich das Prozedere weiter, erst um 20:20 Uhr stand der Beschluss des Pakets fest. (Jan Michael Marchart, Nina Weißensteiner, 4.4.2020)