Wer es sich leisten kann flüchtet dieser Tage aus der Stadt an die Ufer der Salzkammergutseen. Sehr zum Ärger mancher Lokalpolitiker.

foto: thomas neuhold

Ostern auf dem Land? Gemütliche Ferientage am Zweitwohnsitz im Salzkammergut? Was für wohlhabendere Städter jahrelang gängige Praxis war, kommt in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen fast einer Flucht aus der Enge der Ballungsräume gleich. Aber es ist eben auch auf dem Land diesmal alles anders: Die sonst als zahlungskräftige Umsatzbringer durchaus wohlgelittenen Zweitwohnsitzer werden heuer mit Argwohn, ja mit offener Feindseligkeit begrüßt. Sie könnten ja die Krankheit aus der Stadt mitbringen, lautet, kurz gefasst, die Sorge.

In Leserbriefen und Social-Media-Einträgen wird Stimmung gegen die Zweitwohnsitzer gemacht. Menschen strömten aus Ballungsräumen auf das vermeintlich sichere Land und würden dabei übersehen, dass mit ihnen eine Vielzahl von sozialen Kontakten aus vergangenen Tagen mitfahre, heißt es beispielsweise in einem Leserbrief an eine oberösterreichische Gratiszeitschrift. Titel des Beitrages einer Seewalchnerin: "Warum die Atterseeregion bald ein 2. Ischgl sein könnte".

Lokalpolitik legt nach

Ihre Forderung: Die Bundesregierung möge die Fahrt zum Zweitwohnsitz verbieten. Derzeit ist dies im Unterschied zu Regelungen in Deutschland erlaubt. Zusätzlich angeheizt wird die Stimmung durch einzelne Lokalpolitiker. So teilt etwa die Bürgermeisterin von Steinbach am Attersee, Nicole Eder (ÖVP), via Facebook Ausflüglern und Zweitheimischen kurz und bündig mit, diese mögen zu Hause bleiben: "Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit euch, aber danach."

Missglückter Brief der Ausseer

Schärfer als Eder formulierten dies die vier Bürgermeister des Regionalvereines Ausseerland-Salzkammergut. "Mit großer Besorgnis stellen unsere Wachdienste fest, dass sich vermehrt Zweitwohnungsbesitzer und Tagestouristen im Steirischen Salzkammergut aufhalten. Gerade diese ,Gäste‘ widersetzen sich den örtlichen Vorgaben und den Anordnungen der Bundesregierung", heißt es in einem Brief, den dann Profil-Herausgeber Christian Rainer auf Twitter postete.

Zur Abwehr der Zweitwohnsitzer forderten die Gemeindechefs eine Art Quarantäne für ihre Orte: Der Übertritt von Gemeindegrenzen solle nur mehr aus den bekannten Gründen erlaubt sein. "Zweitwohnungsbesitzer müssen sich entscheiden, ob sie die Krise an ihrem Haupt- oder Zweitwohnsitz durchstehen wollen."

Inzwischen mussten die Ausseer freilich den Retourgang einlegen. "Das ist in die Hose gegangen", sagt Gerald Loitzl (ÖVP), Bürgermeister von Altaussee, im Gespräch mit dem STANDARD. Man habe natürlich nichts gegen Zweitwohnsitzer, "wir wissen, wie wichtig sie für unsere Regionen sind", man wolle nur ein ständiges Hin- und Herfahren unterbinden. Der Brief sei aber "wahnsinnig unglücklich formuliert", bittet er um Entschuldigung.

Kritzendorf: Zweitwohnungen ohne Wasser

Während man also entlang des Attersees und im Ausseerland versucht, das ökonomisch potente und oft auch politisch gut vernetzte Zweitwohnsitzklientel nicht weiter zu verprellen, ist man in Kritzendorf (Stadt Klosterneuburg) weniger zimperlich.

Attraktion hier ist das nette Strombad an der Donau, ab April werden die Liegewiesen voller und die Parkplätze rarer. Neben den Tagesgästen gibt es rund 450 dauerhafte Wohneinheiten um das Strombad, für die meisten sind die kleinen Häuser Zweitwohnsitz, Refugium aus der Stadt, Grünes statt Wiener Beton.

Aktuell ist man dort eher wütend, statt entspannt: "Es ist sehr ärgerlich", sagt einer der Pächter, der namentlich nicht genannt werden will. Grund dafür ist, dass die meisten auf dem Trockenen sitzen. Normalerweise wird die Wasserversorgung Mitte März in Betrieb gesetzt, bis alle mit Wasser versorgt sind dauert es rund "zwei bis drei Wochen". Am 15. April sollten alle Wasser haben. Zugesichert ist das in den Pachtverträgen mit der Gemeinde.

In einem Rundschreiben der Bäderverwaltung wurden die Pächter informiert, dass die Wasserversorgung nicht vor "einschließlich 30. April in Betrieb genommen wird". Grund seien die "Vorgaben der Bundesregierung" zur Corona-Krise, die Intention wird im Schreiben augenscheinlicher: Das Aufsuchen des Zweiwohnsitzes sei "auch in der aktuellen Situation in keiner Weise untersagt. Allerdings ist ein regelmäßiges Wechseln zwischen Haupt‐ und Nebenwohnsitz nicht als notwendiger Weg zu sehen und muss unterbleiben", heißt es dort.

Pendeln wird gefördert

Dass mit der Maßnahme gerade das Pendeln gefördert würde, weiß auch der Pächter: "Wir sind unter tags hier müssen am Abend zum Duschen wieder nach Wien. Genau das wollen sie ja eigentlich vermeiden." Auch Therese Hurch ist in dieser Situation. Sie wohnt in der Wiener Innenstadt, der Zweitwohnsitz war die "Möglichkeit das durchzuhalten", sagt die pensionierte OGH-Richterin für Mietrecht. Sie sieht ihren Vertrag verletzt und zwar "rechtlich nicht gedeckt", sagt Hurch, auch nicht durch das Epidemiegesetz.

Sie vermutet, dass man in Kritzendorf auf Kosten der Zweitwohnsitzler verhindern wolle, dass sich bald zu viele Leute sich auf der Liegewiese an der Donau tummeln. Klosterneuburgs Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager (ÖVP) sieht die Maßnahmen gerechtfertigt: "Wir wollen nicht mühsam sein, möchten aber gleichzeitig dafür sorgen, dass keine Durchmischung der Leute stattfindet und zusätzliche Arbeit für die Einsatzkräfte entsteht." Verständnis für Menschen, die aus der Stadt wollen habe Schmuckenschlager "schon", er appelliert aber auch "die Notwendigkeit zum Aufsuchen des Zweitwohnsitzes in der aktuellen Situation zu hinterfragen".

Nachsatz: Am Dienstag tage wieder der Krisenstab der Gemeinde. Sollte es bis dahin Erleichterungen der Regierung geben, werde man auch das Thema Wasser neu bewerten. (Sebastian Fellner, Andreas Hagenauer, Thomas Neuhold, 5.4.2020)