In Hongkong ist der Lockdown bisher vermieden worden, nun denkt die Regierung darüber nach, das öffentliche Leben und die Wirtschaft möglicherweise doch einzuschränken.

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Hongkong und Singapur galten bisher als vorbildlich im Kampf gegen das Covid-19-Virus. Als die ersten Nachrichten über die Lungenkrankheit auftauchten, schlossen die beiden Stadtstaaten ihre Grenzen. In der Folge setzten beide auf eine bis vor kurzem erfolgreiche Kombination aus Testen, Tracken und Isolation. Das öffentliche Leben und die Wirtschaft mussten so kaum eingeschränkt werden. Gerade einmal 140 Fälle von Coronavirus-Infektionen zählte Hongkong Mitte März. Da hatte die Pandemie auf dem Festland gerade ihren Höhepunkt überschritten und wütete in Italien.

Hongkong setzte von Anfang an darauf, jeden Infizierten auszumachen und seine Bewegungen in der Sieben-Millionen-Einwohner-Stadt lückenlos nachzuvollziehen. Alle Personen, mit denen der Infizierte Kontakte hatte, wurden daraufhin in Quarantäne gebracht. Das funktionierte lange gut. Dann aber entschied sich die Regierung, die Grenzen für alle Ausländer zu schließen und alle heimkehrenden Hongkonger in eine 14-tätige Quarantäne zu stecken. In der Folge flogen tausende Hongkonger vor dem Stichtag am 25. März in die Stadt zurück. Viele hatten für sich zuvor entschieden, in Hongkong sicherer zu sein als in Großbritannien.

Lückenloses Tracking wird schwieriger

Manche Heimkehrer begaben sich nach ihrer Ankunft umgehend in das Ausgehviertel Lan Kwai Fong und infizierten dort weitere Personen. In der Folge schossen die Neuinfektionen nach oben und haben mittlerweile in Hongkong rund 900 erreicht. Das Tracking, die lückenlose Nachverfolgung von Infizierten, sei stellenweise nicht mehr möglich. Am Wochenende wurde eine gesamte Anti-Protest-Einheit der Hongkonger Polizei von 122 Mann in Zwangsquarantäne gesteckt, weil es zu einer Infektion gekommen war.

Hongkong denkt jetzt darüber nach, über die Stadt ebenfalls einen Lockdown zu verhängen – eine Maßnahme, die aufgrund ihres massiven wirtschaftlichen Schadens bisher vermieden werden konnte. Ähnlich sieht es in Singapur aus: Auch dort konnte die Zahl der Infizierten durch ähnliche Maßnahmen wie in Hongkong lange sehr niedrig gehalten werden. Durch die "zweite Welle" aber stiegen die Infektionen in den vergangenen Wochen von knapp 100 Ende Februar auf mittlerweile 1.309 an. Damit droht das Modell der lückenlosen Nachverfolgung der Infektionswege an seine Grenzen zu stoßen.

Dritte Welle droht

Während die zweite Welle in Hongkong nun am Abebben ist, droht eine dritte Welle. Während China offiziell dem Land "Normalität" verordnet, nimmt die Reisetätigkeit wieder zu. Von Samstag bis Montag fand in China das Totengedenkfest Qingming statt. Die Regierung forderte die Chinesen dazu auf, auf Reisen zu verzichten und stattdessen lieber "digital zu trauern". Gleichzeitig aber betont die Regierung in Peking, nun zur Normalität zurückzukehren. Reisen von und nach Wuhan sind seit dem Wochenende wieder möglich.

Der führende Seuchenexperte der Stadt, Yuen Kwok-yung, warnte am Sonntag in der "South China Morning Post": "Nach einer zweiten Welle von Heimkehrern könnte es nun zu einer dritten Welle vom Festland kommen. Dieser Zyklus kann so lange weitergehen, bis wir einen Impfstoff oder eine kollektive Immunität von 60 bis 80 Prozent erreicht haben." (Philipp Mattheis aus Hongkong, 6.4.2020)