Italiens Vorkämpfer für flächendeckende Antikörpertests ist Luca Zaia, Ministerpräsident der von der Corona-Epidemie stark betroffenen Region Venetien. Der "Doge" in Venedig hatte schon in der vergangenen Woche bekanntgegeben, dass die Regionalregierung 732.000 Schnelltests in China beschafft habe; die ersten 100.000 Personen sollen noch in dieser Woche auf Antikörper getestet werden. "Das Ziel besteht darin, den von der Krankheit geheilten Personen eine Art Immunitätsbescheinigung zu geben, damit sie wieder arbeiten können", erklärte Zaia. Die Zuverlässigkeit der chinesischen Tests betrage etwa 95 Prozent.

Nach der Positivtestung kommt die Antikörpertestung – um sicherzustellen, dass Gesundete auch tatsächlich immun sind.
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Inzwischen haben auch die Regionalregierungen der Toskana, der Emilia-Romagna und Liguriens ähnliche Testreihen angekündigt. Der Grund ist immer derselbe: Die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns werden mit jeder Woche, in der die Betriebe geschlossen bleiben, dramatischer: Inzwischen beziehen bereits 20 Millionen Arbeitnehmer staatliche Unterstützung, die Hälfte davon in Form von Kurzarbeitsentschädigung.

Erster Durchgang: Medizinpersonal

Angesichts der gewaltigen wirtschaftlichen Schäden erscheint es Zaia absurd, hunderttausende Personen, die möglicherweise bereits immun gegen das Virus sind, zu Hause einzuschließen. Ganz besonders gelte das für Angestellte von Spitälern und Altersheimen, die dringend gebraucht werden.

Die ersten 30.000 Antikörpertests will Venetien denn auch beim medizinischen Personal durchführen, erklärt die Virologin Francesca Russo, Chefin der Anti-Virus-Taskforce in Venetien. Geplant sind doppelte Tests: Neben dem Antikörpertest soll auch der übliche Rachenabstrich vorgenommen werden – um sicherzugehen, dass die getestete Person das Virus auch tatsächlich nicht mehr in sich trägt.

"Im Moment scheint es, dass die Antikörpertests ziemlich zuverlässig und die positiv getesteten Personen immun gegen das Virus geworden sind. Aber ein genereller Freibrief für die Rückkehr an den Arbeitsplatz sind sie nicht", betont Russo.

Conte setzt auf schrittweise Entwarnung

Die Durchführung flächendeckender Antikörpertests sei auch für die Regierung von Giuseppe Conte eine unerlässliche Voraussetzung dafür, die verhängten Restriktionen schrittweise rückgängig zu machen, betonte Gesundheitsminister Roberto Speranza am Wochenende. Denn die bisherigen Rachenabstriche, mit denen Verdachtsfälle getestet wurden (und immer noch werden), sagen kaum etwas über die tatsächliche Zahl der wieder genesenen Personen aus.

Experten gehen davon aus, dass sich allein in der am stärksten betroffenen Region Lombardei rund um die Metropole Mailand bis zu fünf Millionen Menschen mit dem Virus infiziert haben, davon nichts bemerkten – und inzwischen wieder virenfrei und immun gegen das Virus sind.

Mit flächendeckenden Antikörpertests könnte festgestellt werden, wie weit die Bevölkerung noch von der sogenannten Herdenimmunität entfernt ist. Außerdem würden sie den Behörden wertvolle Hinweise darauf liefern, welche Maßnahmen für welche Personengruppen gelockert werden könnten.

Rufe nach Koordinierung

Dennoch ist die Regierung nicht begeistert vom Vorpreschen der Regionalpräsidenten im Norden: Die Tests seien zwar unabdingbar, aber sie müssten landesweit einheitlich und koordiniert durchgeführt werden, betont der Präsident des nationalen Sanitätsrats, Franco Locatelli. Die noch bestehenden Zweifel an der Methode der flächendeckenden Antikörpertests sollen aber in Kürze ausgeräumt werden, betonte Locatelli am Montag.

In den nächsten Tagen sollen die Bevölkerungsgruppen definiert werden, die einem solchen Test auf nationaler Ebene unterzogen werden sollen. "Wir legen derzeit den Umfang der Tests und die Arbeitsprofile derjenigen fest, die als Erste untersucht werden", sagte Locatelli. Das Ziel des Tests bestehe darin, die "Phase 2" nach dem Abklingen der Epidemie in Angriff zu nehmen.

Die Diskussion über die "Phase 2" – also die selektive Lockerung der Quarantänemaßnahmen – wird derzeit durch den Umstand befeuert, dass Italien den Peak der Epidemie offenbar endlich überschritten hat: Sowohl die Zahl der täglich neu gemeldeten Toten als auch die Zahl der Patienten in den Spitälern und in den Intensivstationen weisen seit einigen Tagen eine deutliche Abwärtstendenz auf. Und während der Druck auf die Krankenhäuser nachlässt, nimmt der Druck auf die Regierung zu, den Italienern nach fünf Wochen Quarantäne einen Weg zurück in die Normalität zu skizzieren. (Dominik Straub aus Rom, 6.4.2020)