Downing Street 10, der Amtssitz des britischen Premierministers: Bis auf weiteres geht Johnson hier nicht mehr ein und aus.

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In London herrschte am Montag Unsicherheit über den Gesundheitszustand des Premierministers. Sonntagabend war Boris Johnson auf Anraten seines Arztes in die Klinik eingeliefert worden; der 55-Jährige war vor zehn Tagen positiv auf das Coronavirus getestet worden und leidet seither an Fieber und hartnäckigem Husten. Im Spital durchlaufe er eine Reihe von Routineuntersuchungen, teilte ein Sprecher der Downing Street mit. Die Nachricht erreichte die Briten am späten Abend nach einer TV-Ansprache von Queen Elizabeth II. "Wir werden uns wiedersehen", machte die knapp 94-Jährige ihren Untertanen Mut.

Johnson hatte vor zehn Tagen in einer Videobotschaft berichtet: "Ich befinde mich in Selbstisolation und arbeite von daheim aus." Vergangene Woche nutzte er Twitter, um der wachsenden Kritik am Vorgehen seiner Regierung gegenzusteuern. In dem wackeligen Handy-Filmchen machte der Politiker bereits einen deutlich mitgenommenen Eindruck, was sich am Donnerstag bestätigte, als er zum wöchentlichen Beifall für die Mitarbeiter des Nationalen Gesundheitssystems NHS vor die Tür trat.

Am Wochenende teilte auch Johnsons schwangere Verlobte Carrie Symonds per Twitter mit, sie müsse seit einer Woche mit Corona-ähnlichen Symptomen das Bett hüten. Ein Test sei nicht nötig gewesen, "es geht mir wieder besser", schrieb die 32-Jährige und machte auf eine Regierungsbroschüre aufmerksam, die besonders auf die Lage von Schwangeren eingeht. Das erste gemeinsame Kind des Paares – Johnson selbst hat schon mindestens fünf Kinder – wird im Juni erwartet.

Genesungswünsche

Quer durchs politische Spektrum wünschten Parteichefs und Ministerpräsidenten dem Premier gute Besserung. Dazu gehörte auch der am Samstag gewählte neue Oppositionsführer Keir Starmer. Dessen erste Besetzungen für das Schattenkabinett deuteten darauf hin, dass die Labour Party im Unterhaus einen sehr ernst zu nehmenden Widerpart für die Konservativen darstellen dürfte. Die Regierung habe bei der Bekämpfung des Coronavirus "ernste Fehler gemacht", sagte Starmer. Er wolle durch konstruktive Kritik zum Gelingen des gemeinsamen Kampfes beitragen.

Erkennbar spiegelt Starmers Haltung die Stimmung in der Öffentlichkeit wider. In den vergangenen Tagen hatte die Kritik der Medien am Vorgehen der Regierung in der Corona-Krise stetig zugenommen. Am Sonntag nahm sich der Leitartikler der konservativen "Sunday Times", die zum Medienimperium von Rupert Murdoch gehört, Johnson persönlich zur Brust. Der "unerfahrene" Premierminister habe ein Kabinett ohne Tiefgang und Erfahrung um sich geschart. Am Montag richtete der erfahrene Politikchef des Nachrichtensenders Sky News sein Feuer auf die Downing Street: Das zur Schau gestellte "Draufgängertum" sei einigen nicht gut bekommen. Tatsächlich haben sich außer Johnson auch Gesundheitsminister Matthew Hancock, der oberste Gesundheitsbeamte Christopher Whitty sowie Johnsons engster Berater Dominic Cummings infiziert.

Royale Erinnerungen

Zuvor hatte das Coronavirus bereits das britische Königshaus erreicht: Thronfolger Charles (71) musste sich eine Woche lang auf Schloss Balmoral in Schottland in die Selbstisolation zurückziehen. Darauf nahm seine Mutter in ihrer Ansprache kurz Bezug, ehe sie an die Selbstdisziplin und Entschlossenheit der Briten appellierte. Die Monarchin erinnerte an ihre eigene Zeit als Kronprinzessin im Zweiten Weltkrieg: Damals habe sie, gemeinsam mit ihrer Schwester Margaret, all jenen Kindern Mut zugesprochen, die 1939/40 wegen der Bombardierung britischer Städte durch die deutsche Luftwaffe von ihren Familien getrennt worden waren.

"Jetzt spüren wir wieder eine schmerzhafte Trennung", sagte die Queen im 69. Jahr ihrer Regentschaft. "Aber wir können uns damit trösten, dass wir uns wiedersehen." Zudem seien diesmal die Nationen der ganzen Welt vereint: "Wir werden erfolgreich sein, und dieser Erfolg gehört jedem Einzelnen von uns." (Sebastian Borger aus London, 6.4.2020)