Verbreitet sich das Coronavirus auch über die Luft? Eine eindeutige Antwort dürfte auf sich warten lassen.

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Wien – Viele Fragen rund um die Verbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 sind nach wie vor offen. Als Hauptansteckungsweg des Coronavirus Sars-CoV-2 gilt jedenfalls die berüchtigte Tröpfcheninfektion: Beim Husten oder Niesen infizierter Personen werden Speichel- und Schleimtröpfchen ausgestoßen, die andere Menschen anstecken können. Landen größere infektiöse Tröpfchen auf Händen oder Materialoberflächen, kann es durch Kontakt damit auch zu Schmierinfektionen kommen.

Ein Mund- und Nasenschutz kann dabei helfen, diese Verbreitungsformen einzudämmen: Zwar schützt eine einfache Stoffmaske gesunde Menschen kaum vor einer Ansteckung, aber die Verbreitung der virusbeladenen Tröpfchen durch bereits erkrankte Personen kann damit verringert werden.

Verdächtige Aerosole

Aber was ist mit der Luft? Droht auch eine Ansteckung, wenn ein infektiöser Läufer beim zu nahen Überholen ausatmet oder wenn man einen Aufzug nimmt, in dem zuvor ein Covid-19-Patient gefahren ist? Eindeutige Antworten darauf gibt es noch nicht, Studien sind widersprüchlich – auch die offiziellen Stellungnahmen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnete die bisherigen Hinweise auf eine Luftübertragung durch schwebende Mikrotröpfchen als nicht ausreichend, die US-amerikanische Akademie der Wissenschaften hält sie hingegen für überzeugend. Immer mehr Forscher warnen jedenfalls, sich durch das Fehlen eindeutiger Belege in Sicherheit zu wiegen: "Der unumstößliche Nachweis könnte Jahre dauern", sagte Michael Osterholm von der University of Minnesota zum Fachjournal "Nature".

Schwieriger Nachweis

Klar ist: Winzige Tröpfchen gelangen auch beim Sprechen und Ausatmen in die Umgebung und können sich über Stunden in der Luft halten. Die entscheidende Frage ist, ob diese Aerosole auch aktive Coronaviren enthalten können und wie groß die "Dosis" sein müsste, um eingeatmet zur Infektion zu führen. Dazu gibt es unterschiedliche Ergebnisse. Laut WHO zeigen Untersuchungen von mehr als 70.000 Covid-19-Patienten in China keine Hinweise auf eine Übertragung durch Aerosole.

Allerdings konnten Forscher Erbinformationen des Virus in der Luft von Krankenhausstationen nachweisen und zeigen, dass sich Sars-CoV-2 bis zu drei Stunden lang in der Luft halten kann. Versuche, mit kontaminierter Luft Zellkulturen oder gar Frettchen zu infizieren, schlugen wiederum fehl. Die australische Aerosolforscherin Lidia Morawska (Queensland University of Technology in Brisbane) zeigte sich in "Nature" überzeugt, dass sich das Virus auch über die Luft ausbreitet. Der Nachweis einer infektiösen Menge an Virenpartikeln in der Luft sei aber "extrem schwierig".

Ungefährliche Covid-Tränen

Gewissheit über die Ansteckungsgefahr auf dem Luftweg wird es wohl nicht so schnell geben. Aufgrund der unsicheren Datenlage mahnen Forscher aber zur Vorsicht: Speziell für medizinisches Personal könnte diese Übertragungsform, so sie zutreffend ist, ein Risiko darstellen. Neben guten Lüftungssystemen könnten vor allem spezielle Atemschutzmasken des Typs FFP3 Schutz bieten – gerade an diesen Masken fehlt es aber inzwischen nahezu überall.

Unter der Bevölkerung könnten ähnlich wie zur Verhinderung von Tröpfcheninfektionen einfache Mund-Nasen-Bedeckungen auch bezüglich Aerosolen einen Nutzen haben: Eine Studie in "Nature Medicine" kommt zu dem Schluss, dass Stoffmasken auch den Ausstoß infektiöser Atemtröpfchen etwas reduzieren könnten.

Teilentwarnung für eine andere Körperflüssigkeit geben indes Forscher aus Singapur: Sie untersuchten, ob die Tränenflüssigkeit von Covid-19-Patienten infektiös ist. Wie sie im Fachblatt "Ophthalmology" berichten, fanden sie in einer mehrwöchigen Untersuchung keine Hinweise auf den Erreger in der Tränenflüssigkeit von Infizierten. Eine Ausnahme scheint es allerdings zu geben, wie eine Studie aus China nahelegt: Wenn eine infizierte Person zugleich an einer Bindehautentzündung leidet, gelangt das Virus offenbar auch in der Tränenflüssigkeit. (David Rennert, 6.4.2020)