Wien – In einer aktuellen parlamentarischen Anfragebeantwortung auf Initiative der Neos gibt Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nun Auskunft zu seinen Intentionen bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten im Jänner, in dem er die angeblich "roten Netzwerke" in der Justiz, insbesondere bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, angeprangert hat. Unter anderem sei es wichtig, erklärt Kurz in seinem Schreiben vom 6. April mit der Geschäftszahl 2020-0.088.490, das dem STANDARD vorliegt, "eine Diskussion über das Verbesserungspotenzial in jenen Bereichen zu führen, wo sie vorhanden sind, etwa im Bereich der unbeeinflussten Verfahrensführung".

Neue Antworten von Kanzler Kurz zum Journalistenhintergrundgespräch im Jänner über die Justiz regen die Neos auf.
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Neos-Justizsprecher Johannes Margreiter qualifiziert das als "starken Tobak, zumal Kurz damit der Justiz ganz allgemein" unterstelle, "im Bereich der unbeeinflussten Verfahrensführung Verbesserungspotenzial zu haben". Für ihn gehe das "weit über den Vorwurf von 'roten Netzwerken' bei der WKStA hinaus" und sei "in dieser pauschalen Form ein unfassbarer Angriff auf die gesamte Justiz".

Bei zahlreichen Veranstaltungen

Ebenfalls bemerkenswert in der Beantwortung von Kurz: Auf die Frage, ob er seit seinem erneuten Amtsantritt im Jänner persönliche Kontakte oder Korrespondenzen mit Personen hatte, gegen die zurzeit von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wird, insbesondere mit Beschuldigen in der Causa Casinos wie Ex-ÖVP-Chef und Aufsichtsrat Josef Pröll oder Ex-Finanzminister Hartwig Löger beziehungsweise Öbag-Chef Thomas Schmid und Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner (für sie gilt die Unschuldsvermutung, Anm.), erklärt der Kanzler: "Als Bundeskanzler nehme ich an zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen teil und treffe dort auf viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Ich gehe fest davon aus, dass ich alle genannten Personen ebenfalls bei unterschiedlichen Veranstaltungen und Terminen getroffen habe oder dort mit ihnen zusammengetroffen bin." Konkreter wird Kurz dabei nicht, obwohl von den Neos durchaus um nähere Details zu allfälligen Treffen gebeten.

Was notwendige Maßnahmen zur Stärkung der Justiz betrifft, erklärt Kurz: "Erstens soll die in manchen Fällen lange Verfahrensdauer reduziert werden. Zweitens soll der Rechtsschutz gestärkt werden, damit Hausdurchsuchungen wie in der Causa BVT nicht mehr vorkommen. Drittens soll verhindert werden, dass vertrauliche Informationen zu Verfahren über Leaks an die Öffentlichkeit gelangen." Zur generell wohl nötigen Erhöhung des Budgets für die Justiz befragt, um effiziente Verfahren zu gewährleisten, hält der Kanzler fest, dass er auf das vom Ministerrat am 18. März beschlossene Bundesfinanzgesetz 2020 verweise, "welches eine spürbare Erhöhung des Justizbudgets vorschlägt und zur Behandlung dem Budgetausschuss des Nationalrats bereits zugewiesen" sei.

Auch diese Antwort reicht den Neos nicht, ihr Justizsprecher Margreiter dazu empört: "Dass Kurz in diesem Zusammenhang ausgerechnet die Hausdurchsuchung in der Causa BVT anspricht, die er im aktuellen Zusammenhang vollkommen unkommentiert gelassen hat – er hat ja die damaligen Vorgänge nur den Medien entnommen –, zeigt sehr deutlich, dass die Justiz Kurz im Prinzip vollkommen egal ist, solange sie nicht gegen seine Freunde oder Geldgeber ermittelt." (Nina Weißensteiner, 7.4.2020)