Aktuelle Studien haben gezeigt, dass sich bei mindestens zwanzig Prozent der Covid-19-Infizierten das Virus auch im Stuhl nachweisen lässt. Dieser Umstand bietet eine Chance, die regionale Ausbreitung der Infektion einigermaßen genau abzuschätzen: Dutzende Wissenschafter weltweit, darunter auch Forscher der Universität Innsbruck, arbeiten mittlerweile an einem Abwasser-epidemiologischen Testverfahren, mit dessen Hilfe sich Aussagen über die Veränderungen bei der Anzahl der Infektionen im Einzugsgebiet einer Kläranlage treffen lassen. Diesen Daten – so die Hoffnung der Wissenschafter – könnten als Grundlage für Handlungsempfehlungen von Gesundheitsbehörden dienen.

Die große Frage nach der Dunkelziffer der mit Sars-CoV-2 infizierten Personen und damit nach der aktiven Ausbreitung des Virus beschäftigt aktuell eine große Zahl verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Eine erfolgversprechende Möglichkeit, um einen umfassenden Überblick über die Ausbreitung der Krankheit zu erhalten, bietet die Untersuchung von Abwasserproben. Ein relevanter Teil an Infizierten, auch solche mit keinen oder milden Symptomen, scheidet nämlich das Virus über den Stuhl aus, das damit ins Abwasser gelangt.

Die Verbreitung des Sars-CoV-2-Virus lässt sich unter Umständen auch über Analysen in Kläranlagen bestimmen.
Foto: imago/Becker&Bredel

Bereits Virusfragmente nachgewiesen

Aus den Abwasserproben können personenunabhängige Rückschlüsse auf die Verbreitung der Infektionen gezogen werden. Diesen Abwasser-epidemiologischen Ansatz verfolgt nun das Institut für Mikrobiologie sowie der Arbeitsbereich Umwelttechnik der Universität Innsbruck gemeinsam mit drei Ausgründungen der Universität – Biotreat, Sinsoma und Hydro-IT – sowie mit Arbeitsgruppen in den Niederlanden und den USA. Basis der Analyse ist eine adaptierte PCR-Methode. Kooperationspartner aus den Niederlanden konnten auf diesem Wege bereits Virusfragmente im Abwasser nachweisen. Zurzeit wird am Standort Innsbruck daran gearbeitet eine entsprechende Finanzierung aufzustellen, den Kontakt mit den Kollegen weltweit auszubauen und erste Probenahmen und Analysen durchzuführen.

Die Innsbrucker Wissenschafter versuchen nun in zwei Schritten möglichst schnell zu belastbaren Ergebnissen zu gelangen: Zunächst geht es darum, bestehende RNA-Extraktions- und Nachweismethoden zu evaluieren und eventuell zu adaptieren. Auf dieser Grundlage können dann Proben gesammelt werden. Im zweiten Schritt soll es zu einer quantitativen Bestimmung von Sars-CoV-2-RNA in den Abwasserproben kommen.

Mögliches Frühwarnsystem

Die aus Abwasseruntersuchungen generierten Daten könnten eine Entscheidungsunterstützung für Gesundheitsbehörden liefern, die den Zeitpunkt und die Schwere von Interventionen (Kontaktvermeidung, Quarantänemaßnahmen etc.) im Bereich der öffentlichen Gesundheit bestimmen müssen. Die entwickelte Methodik soll zudem in Zukunft genutzt werden, um frühzeitig vor dem Wiederauftreten des Coronavirus warnen zu können und helfen, die Wirksamkeit von Interventionen abzuschätzen. (red, 7.4.2020)