Foto: APA/AFP/JOEL SAGET

Pro
von Ronald Pohl

Früher, in den entbehrungsreichen Tagen meiner Kindheit, schillerten alle Buchumschläge gleichmäßig grau. Man konnte noch von Glück reden, wenn die herzzerreißende "Geschichte von Lambert Löffelmann und seinem stark gefiederten Freund Silvester Aaser" in einem Schutzumschlag steckte, der nicht sofort an frisch Erbrochenes denken ließ oder – horribile dictu! – an verkochtes Kohlgemüse.

Die Freude an der grellen Farbigkeit von Buchrücken impfte mir meine erste Deutschprofessorin ein. Mit beeindruckender Konsequenz trug Fräulein S. ausschließlich Kleidungsstücke in den Farben der Edition Suhrkamp.

Fortan war es um mich geschehen: Bücher, die ein Bleiberecht in meinem Regal beanspruchen wollten, mussten zyklamfarben sein, rot wie Rote Rüben oder wenigstens türkis wie ein gedruckter Wahlaufruf der ÖVP-Ortsgruppe Mistelbach. Seitdem ordne ich die Wälzer in meinem Gestell nach ansteigender politischer Dringlichkeit.

Kontra
von Karin Bauer

Mei, schön! Das Bild passt farblich zum Sofa! Urlieb, Klopapier und Handtücher haben dieselbe Farbe! Auf dem Gewürzregal steht links Kurkuma, mittig roter Paprika und ganz rechts schwarzer Sesam. Das korrespondiert mit dem Tulpenstrauß auf dem Esstisch – gelb, rot, schwarzer Blütenstaub. So eine stimmige Ordnung. Das ganze Leben kann Dekor sein.

Klar geht das auch bei der obligaten Bücherwand, zumindest nach ein paar Jahren, wenn sich etwas angesammelt hat. Der Regenbogen als Vorbild wäre auch hier möglich: links der gelbe Matt Ruff, abgegriffene Reclams in Zartorange, dazwischen weiß-gräuliche Einbände der Fachliteratur, die roten Taschenbücher (ja, die Pest von Camus beispielsweise), die meistens rosa-lila gebundene Esoterik könnte sich anschließen, um jeweils rechts mit den üblicherweise in Königsblau gedeckelten Fachliteraturen abzuschließen.

Irgendwo unten halt Leonard Cohen und so Zeugs, das ist schwarz. Kann man machen, wenn man gerne dekoriert. Ich nicht. (RONDO, 6.6.2020)