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Bibliotheken im ganzen Land machen für die Dauer der Krise ihren Onlinebestand gratis und mit wenig Anmeldehürden zugänglich. Ob das dem leidenden Handel nutzt?

Foto: Getty Images / Thomas Barwick

Da sage noch einer, Literatur gehöre nicht zur Grundversorgung! Nicht nur Albert Camus' Die Pest ist seit Wochen ausverkauft, andere Krisenbücher tun es ihm nach und spielen damit hinsichtlich Versorgungslage in einer Liga mit Germ und Klopapier. Dennoch sind Buchhandlungen seit Mitte März geschlossen. Kleinere dürfen mit Dienstag wieder öffnen, die größeren müssen noch bis Mai warten. Das freut manche Buchhändler, aber nicht alle.

Während die Seeseiten in der Wiener Seestadt froh sind, auf ihren 140 Quadratmeter Fläche demnächst bis zu sieben Kunden bedienen zu dürfen, ist die Buchhändlerkollegin Petra Hartlieb skeptisch. Auf ihren 60 Quadratmetern dürfte sie laut Regelung nur zwei bis drei Kunden gleichzeitig empfangen: "Die dürfen nur hereinkommen, um etwas abzuholen oder wenn sie genau wissen, was sie wollen. Die eigentliche Kernaufgabe Beratung fällt damit flach. Wir sind also gar nicht so begeistert von der Öffnung." Zudem sieht sie wegen der Beschränkung einen riesigen Umsatzentgang gegenüber dem Normalbetrieb voraus, während der seit Wochen boomende Onlineshop weiterhin viele Personalressourcen binden werde.

Offene Läden rentieren sich noch nicht

Skeptisch ist auch Helmut Zechner von der Buchhandlung Heyn in Klagenfurt. Er wird ab Dienstag nur eine Abholstation vor seinem Geschäft einrichten, denn "das höchste Gut, das ich auch wirtschaftlich habe, ist die Gesundheit meiner Mitarbeiter, damit wir den Onlinebereich gut betreuen können". Der werde bis auf weiteres der größere Umsatzbringer sein, glaubt Zechner und bezweifelt, dass angesichts inzwischen eingespielter Onlinestrukturen so viele Kunden darauf warten, einkaufen zu gehen. Die Buchhandlung regulär aufzusperren würde sich also nicht rentieren.

Die Verdoppelung bis Verdreifachung der Onlinebestellungen hat sich bei allen dreien jedenfalls über die Krisenwochen gehalten. Doch kann das die Umsatzrückgänge bei weitem nicht kompensieren. Allen Buchläden wird eine deutliche Delle in der Bilanz bleiben. Und nicht nur ihnen.

Verlage verschieben im Programm

Bei den heimischen Verlagen Zsolnay und Residenz registriert man für die vergangenen Wochen um die 80 Prozent weniger Umsatz. Wie viel davon auf den Ausfall des stationären Handels und wie viel auf die nachrangige Behandlung von Büchern beim Onlinegiganten Amazon entfalle (sie wurde bis 4. Mai verlängert), lasse sich nicht abschätzen. Beide Verlage haben aber insofern Glück, als der Großteil ihres jeweiligen Frühlingsprogramms bereits in den ersten Jahreswochen erschienen ist und so Öffentlichkeit und Verkäufe generieren konnte. Wie praktisch alle Verlage im Sprachraum haben auch Zsolnay und Residenz zuletzt krisenbedingt ihr restliches Programm fürs Frühjahr rasch umgebaut.

Suhrkamp und Luchterhand behalten geplante Veröffentlichungstermine nur für E-Books bei und schieben die gedruckten Ausgaben nach hinten. Bei Zsolnay erscheint ein für Ende April geplanter Titel indes generell erst Ende Mai. Daran wird sich auch durch die am Montag verkündete Öffnung kleiner Läden nach Ostern nichts mehr ändern, und das wirkt sich auch aufs Herbstprogramm aus. Denn damit die Frühjahrsbücher länger in den Geschäften liegen bleiben, erfolgt die erste Auslieferung des Herbstprogramms von Zsolnay statt Ende Juli erst Ende August – da kommt sonst schon die zweite Herbstauslieferung in den Handel. Daher wurde das Herbstprogramm um ein Drittel verschlankt und wurden Titel auf 2021 gelegt. Er wisse von noch drastischeren Reduktionen als bei Hanser, zu dem Zsolnay gehört, so der Verleger Herbert Ohrlinger. Auch bei Residenz wandern fünf Titel ins nächste Jahr. Der Verlag wird 2020 mit Umsatzverlusten abschließen.

Schluss mit den Ladenhütern

Noch dramatischer ist die Lage für Kleinverlage. Sie haben kaum Bestseller und brauchen Bewerbung durch Händler und Sichtbarkeit in Auslagen. Online kompensiert ihre Ausfälle weniger als bei großen Verlagen – sogar bei E-Books würden vor allem große Namen nachgefragt, kaum junge Autoren, beobachtet Ohrlinger.

Nicht nur, dass an der Front weniger verkauft wird. Buchhandlungen hatten wegen der Schließung zudem viel Zeit, um Bestände durchzugehen und Ladenhüter als Remittenden an die Verlage zurückzuschicken. Diese Zahl ist gerade auffällig hoch.

Für Benedikt Föger von Czernin ist "ein großer Teil des Frühjahrsprogramms verloren". Als Verleger wünscht er sich eine Verlagsförderung mindestens im Vorjahresausmaß, auch wenn krisenbedingt weniger Titel erscheinen – denn ihre Höhe ist eigentlich an deren Zahl geknüpft. Das wird auch nötig, denn viele Verlage glauben nicht, dass sie vom Schutzschirm der Regierung abseits von Kurzarbeit profitieren werden.

Bleiben noch die Autoren. Für den Gegenwert einer bezahlten Lesung müssen sie nicht selten 200 Bücher verkaufen. Lesungen aber werden noch länger nicht möglich sein. (Michael Wurmitzer, 8.4.2020)