Desinfektionsmittel statt Parfüm. In diesem Labor von Dior wurde rasch umgesattelt. Die Produkte wurden an Spitäler verschenkt.

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Bernard Arnault kennt keine Kurzarbeit: Der Vorsteher und Hauptaktionär des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH fährt jeden Tag in sein mit zeitgenössischer Kunst reich dekoriertes Büro in der Pariser Avenue Montaigne. Dort befasst er sich allerdings nicht wie üblich mit seinen 75 Mode-, Champagner-, Uhren- und anderen Luxusmarken.

Ende Februar, als die Corona-Welle Italien ergriff, wies Arnault (71) seine Forschungs- und Entwicklungsabteilung über Nacht an, keine wohlriechenden Kosmetika oder Parfums mehr zu produzieren, sondern hydroalkoholischen Gel. Bei Dior, Givenchy und Guerlain bereitete die Umstellung keine Probleme, da sie über sämtliche Zutaten verfügen – gereinigtes Wasser, Alkohol und Glyzerin, dazu aber auch Etiketten und Flacons. Zwei Tage später begannen die Auslieferungen an Spitäler, Polizeiwachen und das Air-France-Personal.

Bedarf erkannt

Arnault gab inzwischen schon eine neue Anweisung: Die 11.000 LVMH-Angestellten in China sollten so schnell wie möglich 40 Millionen Schutzmasken auftreiben. Anders als die französische Regierung, die eine Großbestellung an die Amerikaner verlor, schnappte Arnault der US-Armee im letzten Moment eine chinesische Maskenladung vor der Nase weg. "Arnault ist Spezialist in Sachen Gesichtsschutz geworden, er koordiniert die Logistik und fällt blitzschnelle Entscheide – wie ein echter Generalstabschef", meint ein Vertrauter voller Bewunderung im Magazin "Capital".

Bernard Arnault, Chef von LVMH, hat schnell reagiert und seine Produktion umgestellt.
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Neuerdings mobilisiert LVMH seine Equipen in der ganzen Welt, um Corona-Tests zu kaufen und in höchster Eile nach Frankreich zu schaffen. Auch sie werden, wie das Gel und die Masken, kostenlos abgegeben. Arnault schaut nicht aufs Geld. Er hat genug. LVMH kam 2019 auf zweistellige Umsatz- und Gewinnraten. In der aktuellen Krise ist der Konzern an der Börse weniger stark eingebrochen als andere Titel, auch wenn die Prognosen langfristig düster sind.

Arnaults persönliches Vermögen von mehr als hundert Milliarden Dollar (so das US-Magazin "Forbes") dürfte ebenfalls schrumpfen. Trotzdem scheut der kühle Nordfranzose keinen Aufwand, seinem Land über die Corona-Krise hinwegzuhelfen. Und er ist nicht der Einzige seiner Branche. Sein großer Rivale Kering (Yves Saint-Laurent, Gucci) unternimmt derzeit alles, um das Gesundheitswesen Frankreichs und Italiens mit Masken zu versorgen. Sein Vorsteher François-Henri Pinault lanciert auch die Herstellung von Desinfektionsgel und den 3D-Bau von Atemgeräten. Das Luxusunternehmen Hermès liefert nicht nur Gel aus seiner Parfum-Produktionsstätte, sondern spendete den notleidenden Pariser Spitälern 20 Millionen Euro. Den 15.500 Hermès-Beschäftigten wird das Salär garantiert, obwohl sie teilweise nichts mehr zu tun haben. Auf Staatshilfen verzichtet das Unternehmen ausdrücklich.

Angestellte werden behalten und bezahlt

Auch der Modehersteller Chanel und der Kosmetikmulti L'Oréal beschäftigen ihre Angestellten trotz massiver Einbrüche ohne Kurzarbeit weiter. In ihren Verlautbarungen räumen diese Unternehmen offen ein, sie könnten es sich leisten, weiter volle Löhne zu zahlen. In sozialen Medien wird darüber debattiert, ob der philanthropische Elan der Luxusmagnaten aus ehrlicher Sorge um das Wohl der Nation geschehe – oder zur kommerziellen Imagepflege.

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Angestellte bei Chanel oder L'Oréal bekommen ihr Gehalt in der Krise weiter – auch wenn Geschäfte geschlossen bleiben müssen. Die Konzerne können sich das leisten.
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"Man darf nicht naiv sein", meint das auf Bürgerengagement spezialisierte Netzwerk Carenews. Andere Kommentare erinnern daran, dass Arnault und Pinault schon vor einem Jahr beim Brand der Notre-Dame-Kathedrale in Paris um den Status des großzügigsten Spenders gerungen hatten. Die Europaabgeordnete der Linkspartei "Unbeugsames Frankreich", Manon Aubry, dankte LVMH, fügte aber an: "Denken Sie das nächste Mal auch daran, Ihre Steuern zu bezahlen, statt Steuerflucht zu betreiben."

Auch die Gebrüder Alain und Gérard Wertheimer, diskrete Besitzer von Chanel und wie Arnault und Pinault Mehrfachmilliardäre, sehen sich aufgefordert, aus ihrem Steuerexil in der Schweiz nach Frankreich zurückzukehren, "um an der nationalen Solidarität teilzuhaben". Eher amüsiert fallen Twitter-Fragen aus, ob die Welt wohl bald mit Chanel-Masken beglückt werde. Oder mit Desinfektionsgel im gediegenen Louis-Vuitton-Flacon? (Stefan Brändle aus Paris, 8.4.2020)