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Auch am Lido-Strand von Mogadischu in Somalia versucht die Polizei, Menschenansammlungen zu verhindern.

Foto: REUTERS/Feisal Omar

Während die Welt von der Corona-Pandemie in Atem gehalten wird, hat das Horn von Afrika gleich gegen zwei sich gegenseitig verstärkende Plagen zu kämpfen. In mehr als zehn ostafrikanischen Staaten breiten sich bereits seit Monaten Milliarden von Wüstenheuschrecken aus, die ganze Landstriche kahlfressen und die Ernährung von mehr als 20 Millionen Menschen gefährden.

Inzwischen werden aus Ländern wie Somalia, Kenia und Äthiopien auch immer mehr Corona-Fälle gemeldet, die sich teilweise exponentiell vermehren. Regierungen in der Region reagieren auf die Ausbreitung des Erregers mit Flugverboten und der Schließung ihrer Grenzen, was wiederum den Kampf gegen die Heuschrecken behindert. In Kenia sind bereits die Vorräte an Insektenvernichtungsmitteln aufgebraucht, die von Flugzeugen aus in die Heuschreckenschwärme gesprüht werden.

Außerdem sitzen in Südafrika mehrere Helikopter fest, die zum Sprühen der Pestizide benötigt werden. Schließlich können auch keine Experten aus Australien und Europa in das Krisengebiet mehr eingeflogen werden. "Der Kampf gegen die Heuschreckenplage wird immer schwieriger", klagt Cyril Ferrand von der Welternährungsorganisation FAO: Die Bevölkerung der Region stehe vor einer "beispiellosen Gefährdung" ihrer Nahrungsmittel. Gegenwärtig wächst am Horn von Afrika die zweite Generation der hungrigen Hüpfer heran, deren Zahl bis zu zwanzigmal größer als die der ersten Generation ist. Gleichzeitig hat in den betroffenen Staaten die Aussaat begonnen, die nun den Heuschrecken zum Fraß zu fallen droht.

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Der Markt stockt

Die anfänglichen Erfolge beim chemischen Kampf gegen die Insekten werden inzwischen von den weltweiten Störungen des Warenverkehrs gefährdet: Der Preis der Pestizide hat sich verdreifacht, Lieferungen nach Kenia und Somalia verzögern sich wegen der Flugverbote um Wochen. Obwohl Ostafrika noch nicht zu den Hotspots der Corona-Pandemie zählt, ist der dortige Anstieg der Ansteckungsraten besorgniserregend. Aus Ländern wie Kenia, Äthiopien oder Dschibuti wurden jeweils bereits mehr als hundert Infizierte gemeldet: Ihre wahre Zahl dürfte angesichts mangelnder Tests noch sehr viel höher liegen. Da es in Konfliktstaaten wie Somalia oder dem Südsudan so gut wie kein öffentliches Gesundheitssystem gibt, fürchten Experten bei einer Ausbreitung der Pandemie das Schlimmste.

Die einzige Möglichkeit zur Eindämmung des Virus sind für die Regierungen dieser Länder Ausgangssperren: Kenia und Uganda haben diese bereits verhängt. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRC), der auch schon von Heuschrecken heimgesucht wird, gibt es die ersten Covid-19-Infizierten. Dort grassiert außerdem eine Masern-Epidemie, die zweitschlimmste Ebola-Seuche der Geschichte wurde vor wenigen Wochen besiegt. Für den Kampf gegen die Heuschrecken bat die FAO die Staatengemeinschaft um 150 Millionen US-Dollar: Davon gingen bislang nur gut zwei Drittel ein.

Hunger droht

Kann der Ansturm der Insekten nicht eingedämmt werden, wird sich ihre Zahl bis Juni noch einmal verzwanzigfacht haben: Von der im Juni erwarteten Ernte am Horn von Afrika wird dann nicht fiel übrig bleiben. Dann seien "Milliarden von US-Dollar" nötigt, um die Bevölkerung am Horn vor dem Verhungern zu retten, heißt es beim Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP). Von der Corona-Pandemie ausgelöste Störungen bei der Beschaffung humanitärer Güter haben auch in anderen afrikanischen Staaten bereits zu lebensgefährlichen Engpässen geführt. Das Kinderhilfswerk Unicef beklagte kürzlich "größere Unterbrechungen" bei der Lieferung von Impfstoffen nach Westafrika. Führe das von der Pandemie verursachte Chaos zu Einschränkungen der humanitären Hilfe, seien "Katastrophen" zu erwarten, warnt die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. (Johannes Dieterich, 8.4.2020)