Viele Wahllokale in Wisconsin blieben geschlossen. Vor den verbleibenden bildeten sich lange Schlangen.

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Noch am Montag dachten die Bürgerinnen und Bürger von Wisconsin, dass sie erst im Juni zu den Urnen gehen werden. Tony Evers, der Gouverneur des US-Bundesstaates, hatte verfügt, die für Dienstag geplanten Lokalwahlen wegen der Corona-Krise, namentlich wegen der erhöhten Ansteckungsgefahr in und vor den Wahllokalen, zu verschieben. Ebenfalls verschieben wollte man die Vorwahlen der US-Demokraten um die Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im November, bei der Ex-Vizepräsident Joe Biden sowie Bernie Sanders, der linke Senator aus Vermont, gegen den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump antreten wollen.

Und doch fanden die Wahlen in Wisconsin schließlich bereits am Dienstag statt – mit langen Schlangen vor Wahllokalen und viel Unmut in der Bevölkerung. Vor allem bei jenen Menschen, die nun überhaupt nicht wählen konnten, war der Ärger groß. Hintergrund: Am Montagabend hatte das Höchstgericht des Bundesstaats erklärt, dass eine Verschiebung des Urnengangs unzulässig sei. Dem Urteil war eine Beschwerde führender Republikaner vorausgegangen, die gegen die vorherige Entscheidung des demokratischen Gouverneurs Evers zu Felde gezogen waren.

Und noch ein weiterer Gerichtsbeschluss sorgte dafür, dass die Wahlen ohne Verzögerungen durchgeführt werden mussten. Ebenfalls am Montag nämlich hatte das Oberste US-Gericht eine zuvor beschlossene Verlängerung der Abgabefrist für Briefwahlstimmen wieder rückgängig gemacht. Alle Stimmen mussten daher bereits am Dienstag auf den Postweg gebracht werden.

Fehlende Unterlagen

Viele Wählerinnen und Wähler geben jedoch an, die angeforderten Unterlagen zur Briefwahl nicht rechtzeitig erhalten zu haben. Sie sahen sich nun vor die Entscheidung gestellt, entweder wählen zu gehen und dabei ihre Gesundheit zu riskieren oder auf ihr Wahlrecht zu verzichten. Das betraf vor allem Risikogruppen wie ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen und einem geschwächten Immunsystem.

Und es betraf auch Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden und nun in Heimquarantäne bleiben, um nicht auch andere anzustecken. Dass die Wahl unter diesen Umständen durchgezogen wurde, sei "wirklich niederträchtig", sagte eine schwangere Frau, die selbst infiziert ist und vergeblich auf die Zustellung ihrer Unterlagen gewartet hat. "Das ist ein Paradebeispiel für Wahlbehinderung", so die 34-Jährige. "Frustrierend ist gar kein Ausdruck dafür", meint auch Satya Rhodes-Conway, demokratische Bürgermeisterin der 250.000-Einwohner-Stadt Madison, der Hauptstadt von Wisconsin. Dass nichts unternommen worden sei, um diese Zustände zu verhindern, sei "schlicht und einfach verwerflich".

Mehr als die Hälfte der Städte und Gemeinden Wisconsins meldeten zudem einen Mangel an Wahlhelfern. In Milwaukee – mit knapp 600.000 Einwohnern die größte Stadt des Bundesstaats – schlossen die Behörden laut Angaben der Nachrichtenagentur Reuters 175 der insgesamt 180 Wahllokale. Vor der Riverside High School, wo eine Stimmabgabe möglich war, standen Wählerinnen und Wähler demnach in einer Schlange, die sich über mehrere Häuserblocks erstreckte.

Trump prüft Zahlungen an WHO

Die Ergebnisse der Wahlen sollen erst am Montag nächster Woche bekanntgegeben werden. Bis dahin läuft die Frist, während derer die am Dienstag abgeschickten Briefwahlstimmen bei der Wahlbehörde eingegangen sein müssen. Unabhängig vom Ausgang aber sehen Beobachter den Urnengang in Wisconsin bereits jetzt als schlechtes Vorzeichen für das Chaos, das in weiteren Staaten oder gar bei der Präsidentschaftswahl selbst drohen könnte, falls die Ausbreitung der Pandemie weiter anhält. Wegen der Coronavirus-Krise hatten bereits 15 Bundesstaaten ihre Vorwahlen verschoben, seit Mitte März war keine einzige mehr abgehalten worden.

Indes überlegen die USA nun, ihre Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einzufrieren. Die Prüfung eines solchen Schritts kündigte Präsident Donald Trump am Dienstag an. Er wirft der WHO im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus schwere Fehler vor. Für Kritiker Trumps kommt das auch einem Ablenkungsmanöver angesichts der dramatischen Zahlen in den USA selbst gleich. Laut Angaben der Johns-Hopkins-Universität vom Dienstagabend sind dort seit dem Vortag 1.939 Menschen an Covid-19 gestorben. Das ist die höchste Zahl von Todesopfern, die seit Beginn der Corona-Krise innerhalb eines Tages in einem Land verzeichnet wurde. (Gerald Schubert, 8.4.2020)