Nikolaus Forgó empfiehlt andere Kriterien für Medienförderung: "Man könnte auch als Indikator für Förderungen verwenden, wie oft ein Medium vor dem Presserat oder medienrechtlich vor Gerichten auffällig wird. Eine negative Korrelation wäre etwa eine sinnvoller Zugang."

Foto: Rainer Schoditsch

Nikolaus Forgó, Vorstand des Instituts für Innovation und Digitalisierung im Recht an der Uni Wien, wundert sich über die Sondermedienförderung der Bundesregierung, die Werbeausfälle der Medien durch die Corona-Krise abfedern soll. Medienförderung nach Druckauflagen zu bemessen findet er nicht nur aus der Zeit gefallen, es begünstige auch hochauflagige Zeitungen, die in der Regel nicht gerade "für sachlichen Diskurs sorgen". Forgó empfiehlt als Vorbild die neue Medienförderung der Stadt Wien.

STANDARD: Die Corona-Sondermedienförderung der Bundesregierung hat Sie zu einer Onlinedebatte Ihres Instituts mit einigen Kritikern dieser Regelung angeregt. Wie beurteilen Sie denn die Förderung, die sich großteils an den gedruckten Exemplaren von Zeitungen bemisst?

Forgó: Das ist die Fortsetzung einer verfehlten Förderungslandschaft in Österreich. Ich könnte mir kaum einen Indikator für Förderungswürdigkeit vorstellen, der mir weniger geeignet erscheint als die Auflagenhöhe. Ich verstehe nicht, warum man sich an diesem Punkt festmacht. Das ist aus gleich zwei Gründen verfehlt.

STANDARD: Warum das?

Forgó: Auflagen halten an einem Medienverständnis fest, das aus den 1970er-Jahren stammt und das so aussah: Medien sind körperliche Gegenstände, die über Trafiken verkauft werden oder über Abos. Das bildet heute nicht wirklich die Realität der Medien ab. Zweitens fördert man jene am meisten, die hohe Auflagen generieren. Das sind naturgemäß in der Regel nicht gerade die Zeitungen, die für sachlichen Diskurs stehen.

STANDARD: Man könnte grundsätzlich fragen, ob man Medienförderung braucht.

Forgó: Ich halte es für sehr wichtig, dass man das Förderwesen in Österreich am Leben erhält und ausbaut, weil wir eine immer weiter zunehmende Medienkonzentration beobachten. Auch in einer krisenhaften Zeit wie heute hätte man jedoch andere Parameter finden können, die über Förderungen entscheiden.

STANDARD: Was wären denn aus Ihrer Sicht sinnvollerweise zu fördern?

Forgó: Man kann die Innovationskraft von Medienunternehmen belohnen, das kann man eine Jury entscheiden lassen. Solche Jurys könnten auch relativ schnell agieren. Diesen Weg versucht gerade die Stadt Wien. Man kann auch spezifische Projekte fördern. Man könnte auch als Indikator für Förderungen verwenden, wie oft ein Medium vor dem Presserat oder medienrechtlich vor Gerichten auffällig wird. Eine negative Korrelation wäre etwa ein sinnvoller Zugang. Das führt sicher zu einem sachlicheren Diskurs.

STANDARD: Die Auflagenhöhe als Parameter lässt sich natürlich recht simpel als wesentlicher Kostenfaktor von Zeitungsunternehmen in der Ist-Situation erklären.

Forgó: Da hält man eine Vertriebsschiene und Unternehmen aufrecht, die aus eigener Kraft möglicherweise einfach vom Markt verschwinden würden. Das ist ein Kampf, den man nicht gewinnen kann. Anders als viele andere glaube ich perspektivisch nicht an Print. Und wenn man denn schon Print fördern will, verstehe ich nicht, warum man dann ausgerechnet dort den Markt verschiebt zugunsten der Großen. Wenn man auf Print setzt und auf Qualität, und das fördern will, dann müsste man kleinen Publikationsformen wie "Datum" helfen, in den Markt stärker reinzukommen.

STANDARD: Wie würde denn eine Digitalmedienförderung nach den Vorstellungen von Nikolaus Forgó aussehen?

Forgó: Ich sehe, dass die Stadt Wien da Geld in die Hand nimmt, und das relativ sinnvoll. Da vergibt eine unabhängige Expertenjury Geld, um innovative digitale Medienprojekte zu fördern. Das gefällt mir als Idee gut, weil auch kleine journalistische Projekte niederschwellig gefördert werden. Ein weiterer Indikator wäre, ob die Medienunternehmen ihre Mitarbeiter weiter beschäftigen. Viele Menschen sind in Kurzarbeit geschickt worden oder werden entlassen – auch das ist ein objektiv bemessbarer, sozial relevanter und für das Überleben von Qualitätsmedien und Medien überhaupt ein sehr wichtiger Faktor.

STANDARD: Noch etwas mehr Geld – 15 Millionen Euro – als in die Druckauflagen-Förderung geht in die Sonderförderung von kommerziellen Privatsendern zu regulär 20 Millionen pro Jahr.

Forgó: Das ist in der Argumentation jedenfalls inkonsistent, weil es hier nicht um das einzelne, teure, gedruckte Exemplar geht. Ich verstehe das auch wieder nur als Fortsetzung der in Österreich seit Jahrzehnten sehr unglücklich geführten Debatte über den ORF. Eigentlich geht es da um die Frage, inwiefern man einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben will und haben muss – und wie man daneben Private leben lässt und die Wettbewerber subventioniert. Das geht aber wieder zulasten von Unternehmen, die nicht Bewegtbild in Echtzeit machen, sondern das informationsdichtere Medium internetoptimierter Text.

STANDARD: Der ORF hat seine Akzeptanz und Berechtigung durch die Krise sehr stark untermauert. Den Markt verzerrt er dennoch.

Forgó: Wie ich nicht an Print glaube, glaube ich nicht an lineares Fernsehen. Das Konzept ist obsolet. Bei jungen Leuten ist lineares Fernsehen ziemlich irrelevant, trotz aller, die etwas anderes behaupten. Darin Geld zu investieren bedeutet letztlich, ein totes Pferd zu reiten. Und dieses Geld fehlt bei anderen Medien. Das Verhältnis ORF online und Printmedien online ist sehr österreichisch-kompromisshaft schludrig gelöst. Ich verstehe einerseits die Printmedien, die unter der subventionierten Onlinekonkurrenz des ORF leiden. Ich verstehe als Gebührenzahler andererseits nicht, warum ich, zum Beispiel, Inhalte nur sieben Tage lang abrufen kann und anderes gar nicht erst angeboten wird, weil es dem ORF untersagt ist.

STANDARD: Wie löst man das Grundproblem?

Forgó: Erstens bin ich Wissenschafter und nicht Politiker, deswegen gebe ich keine politischen Antworten. Aber wenn man die österreichische Medienlandschaft insgesamt am Leben erhalten will, dann muss man sich die Marktrealitäten ansehen und fragen, wie performen wir im Vergleich zu anderen Märkten? Und: Konzentrieren wir die Kräfte auf das, was inhaltlich relevant, also qualitätsvoll ist. Versuchen wir ein Verteilungswesen zu erreichen, bei dem jene, die aus der Printecke kommen, ausreichend Potenzial haben, um selbstständig eine Position zu entwickeln. Das passiert ja jetzt gerade nicht. Es ist genug Geld zum Sterben und zu wenig zum Leben. (Harald Fidler, 8.4.2020)

Podcast-Debatte zur Corona-Medienförderung

Nikolaus Forgó lud Dienstagabend (8. April 2020) zu einer Podcast-Debatte über Corona, die Medien und die neue Sondermedienförderung mit Andy Kaltenbrunner (Medienhaus Wien), Daniela Kraus (Presseclub Concordia) und Katharina Raabe-Stuppnig (Lansky, Ganzger & Partner).
Department of Innovation and Digitalisation in Law