Sieht Angriffspunkte für Mitbewerber: Katharina Raabe-Stuppnig, Partnerin für Technologie- und Medienrecht in der Kanzlei Lansky, Ganzger & Partner.

Foto: Lansky Ganzger Partner / Arnold Poeschl

Druckauflagen als gewichtigster Maßstab für eine Medienförderung: Dieser Weg einer Sondermedienförderung der Regierung für massive Werbeausfälle durch die Corona-Krise irritiert einige renommierte Juristen in Österreich.

"Es wäre angezeigt, die EU-Kommission damit zu befassen", sagt der Wiener Verfassungsrechtler Heinz Mayer im Gespräch mit dem STANDARD. Er vermutet nach dem Europarecht eine verbotene Beihilfe. Die Republik bevorzuge hier Tageszeitungen, die eine hohe Druckauflage haben, gegenüber anderen Mitbewerbern.

Der Bund müsse bei Förderungen wie dieser sachlich vorgehen und Subventionen nach objektiven und sachlichen Kriterien vergeben oder verweigern. "Meiner Meinung nach muss eine Förderung mit Steuermitteln im öffentlichen Interesse liegen", sagt Mayer: "Man kann Medien nicht alleine deshalb fördern, weil sie erscheinen." Also müsse es dafür einen Kriterienkatalog geben, der "zumindest annähernd Qualitätsansprüche fixiert und Ausschlussgründe festsetzt", über die eine unabhängige Stelle entscheidet. Die unabhängige Medienbehörde ist zuständig für die Presseförderung, die Sonderförderung ist eine Novelle zu dieser Presseförderung. "Die Druckauflage sagt darüber nichts aus, sie können drucken, soviel sie wollen. Gerade Gratiszeitungen werden hier besonders gefördert."

Gratis besonders gefördert

Daran stößt sich auch Nikolaus Forgó, Vorstand des Instituts für Innovation und Digitalisierung im Recht der Uni Wien: "Auflagen halten an einem Medienverständnis fest, das aus den 1970er-Jahren stammt: Medien sind körperliche Gegenstände, die über Trafiken verkauft werden oder über Abos. Das bildet heute nicht wirklich die Realität der Medien ab", sagt Forgó im STANDARD-Interview: "Zweitens fördert man jene am meisten, die hohe Auflagen generieren. Das sind in der Regel nicht gerade die Zeitungen, die für sachlichen Diskurs stehen."

Forgó nennt als Förder-Vorbild die neue Medienförderung der Stadt Wien, die journalistische Innovationen von Medienhäusern, aber auch Journalisten fördert.

Mayer kritisiert, dass es für digitale Medien auch keine Corona-Sonderförderung gibt: "Die Onlineförderung fällt völlig unter den Tisch. Wenn sich ein Großteil der Menschen Informationen online holt, ist es unsachlich, diese Medien nicht zu fördern, das wäre vielmehr ein Gebot der Stunde."

Katharina Raabe-Stuppnig, Partnerin für Technologie- und Medienrecht in der Kanzlei Lansky, Ganzger & Partner, sieht Angriffspunkte für Mitbewerber:

· Reguläre Presseförderung gebe es bisher nur für Kaufzeitungen, im selben Gesetz aber fördere die Corona-Sonderregelung auch Gratiszeitungen. Das sei "merkwürdig" und womöglich eine "unsachliche Bevorzugung".

· Druckauflage sei "kein wahnsinnig sachliches Förderkriterium, Qualitätskriterien wären wesentlich wünschenswerter".

· "Sehr problematisch" sei der Ausschluss von Wochenzeitungen von der Druckauflagenförderung (sie bekommen nach Protesten mehr Vertriebsförderung).

Neben der EU-Kommission könnten Mitbewerber den Verfassungsgerichtshof anrufen. Mayer empfiehlt auch zivilrechtliche Verfahren bis zum Obersten Gerichtshof. (Harald Fidler, 8.4.2020)

Podcast-Debatte zur Corona-Medienförderung

Nikolaus Forgó lud Dienstagabend (8. April 2020) zu einer Podcast-Debatte über Corona, die Medien und die neue Sondermedienförderung mit Andy Kaltenbrunner (Medienhaus Wien), Daniela Kraus (Presseclub Concordia) und Katharina Raabe-Stuppnig (Lansky, Ganzger & Partner).
Department of Innovation and Digitalisation in Law