Der Bürgermeister von St. Gilgen in der "ZiB 2" am Dienstag.

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Die Geschlossenheit in der gemeinsamen Anstrengung um Social Distancing war eigentlich schon längst verdächtig. Der Österreicher mag ein kleines Land bewohnen, es bietet immer noch genügend sonnige Nischen und enge Täler, um stur Eigeninteressen zu pflegen. Warum sollte das im Krisenfall so anders sein? Gewiss, das Aufeinanderschauen stiftet ein Gefühl von Euphorie, und Katastrophen spornen Menschen dazu an, die kleinen Niedrigkeiten zu übersehen.

Fragt sich nur, wie lange das so bleibt. In der "ZiB 2" von Dienstag wurde am Ende der Sendung der – hübsch sardonische – Beitrag "Inländer raus" platziert. Und er lässt vermuten: Die Nächstenliebe ist erschöpft. Mehrere heimische Gemeinden wollen den ohnehin schon besucherschwachen Corona-Frühling ganz allein auskosten. Dass man in Klosterneuburg und Kritzendorf überlegt hat, den Zweitwohnungsbesitzern in den Strandhäusern das Wasser nicht aufzudrehen, mag man noch als Spitze gegen den Wiener Bobo durchgehen lassen, der dort eine Kolonie gegründet hat – und sich saisonal unter seinesgleichen isoliert.

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Der Bürgermeister von St. Gilgen am schönen Wolfgangsee – mit stecktuchartiger Edelschutzmaske um den Hals – spricht’s aus: "Jetzt brauchen wir unsere Gegend einmal für uns." Er ärgert sich über Ausflügler, die wie zu normalen Zeiten klettern gehen. Parkplätze will er zu Ostern sperren lassen. Offenbar sind tourismusverwöhnte Gemeinden besonders erpicht darauf, jetzt allein zu bleiben. Böse, wer vermutet, dass dies auch an den fehlenden Einnahmequellen liegt. (Dominik Kamalzadeh, 8.4.2020)