Im Zoo waren mir immer die Tiere sympathisch, die uns Besucher gekonnt frustrieren. Die sich nämlich ausgeknobelt haben, wo in ihrem Gehege die Stelle ist, die man von nirgendwoher so recht einsehen kann. Und dort relaxen sie dann den lieben langen Tag in der Gewissheit, nicht behelligt werden zu können. Eine solche Stelle war auch mal meine Wohnung: Heimkommen, Tür zu, die Welt muss draußen bleiben.

Wer seine Ruhe haben will, muss vor die Tür.
Foto: Doppler

Und jetzt? Jetzt sitzt die ganze Welt mitten in meiner Wohnung, fordert meine Aufmerksamkeit und bekommt sie auch. Sogar gerne. Ich telefoniere, maile, chatte, videokonferiere, Homeoffice sowieso, dazu der stete Strom an Corona-Nachrichten auf allen Kanälen. Erfahrungsaustausch zu den Tücken der Telearbeit, Onlineshopping-Tipps für die fernen Eltern ("Mach dir um uns keine Sorgen!"), geteilte Spendenaufrufe für Krankenhäuser in Italien und Spanien, Diskussionen mit Freunden in Schweden, ob "unsere" strengen Maßnahmen oder "ihre" laxen die vernünftigeren seien. Noch nie haben das Öffentliche und das Private einander so durchdrungen.

Verkehrte Welt

Zu Beginn des Ganzen habe ich eine Probequarantäne eingelegt, um zu testen, ob ich für den Ernstfall gewappnet wäre: Waren die Einkäufe vollständig? Check. Stehe ich die Isolation psychisch durch? Datenlage unzureichend bis paradox. Es mag sich mittelfristig noch ändern, aber vorerst habe ich nicht das Gefühl, isoliert zu sein, sondern eher so vernetzt wie noch nie.

Wenn ich zwischendurch doch mal allein sein will, gehe ich jetzt – verkehrte Welt – nach draußen, wo nur wenige unterwegs sind und selbst die einen braven Bogen umeinander machen. Schönbrunn wäre in Gehdistanz, bleibt mir aber verschlossen. Ich frage mich, ob es sich die Tiere inzwischen auf neuen Lieblingsplätzen bequem gemacht haben. (Jürgen Doppler, 09.04.2020)