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Luftaufnahme der italienischen Carabinieri.
Foto: Carabinieri via AP

Im Unterschied zur Tragödie von Genua vom 14. August 2018, bei der 43 Menschen ihr Leben verloren hatten, ging der neue Brückeneinsturz an der Grenze zwischen Ligurien und Toskana glimpflich aus: Laut Angaben der Behörden befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks lediglich zwei Kleinlaster auf der rund 400 Meter langen Brücke. Die beiden Fahrer wurden verletzt ins Krankenhaus gebracht; sie befinden sich nicht in Lebensgefahr.

Mit einer Höhe von rund acht Metern war die neu eingestürzte Brücke ungleich weniger hoch als der über 40 Meter hohe Morandi-Viadukt in Genua. Die Brücke ist um 10.20 Uhr in der Nähe der Kleinstadt Aulla aus bisher noch nicht geklärten Gründen auf ihrer gesamten Länge eingebrochen; das Bauwerk führte über den Fluss Magra und war Teil der Staatsstraße, die die Provinzen Massa Carrara (Toskana) und La Spezia (Ligurien) miteinander verbindet.

"Wie ein Kartenhaus"

Normalerweise ist sie stark befahren; dass sich am Mittwoch beim Einsturz nur die beiden Kleinlaster auf der Brücke befanden, ist auf den Lockdown in Italien wegen der Corona-Epidemie zurückzuführen. "Dass hier nichts Schlimmeres passiert ist, grenzt an ein Wunder", erklärte ein Lkw-Fahrer, der kurz nach dem Einsturz bei der Unglücksstelle angekommen war und noch rechtzeitig bremsen konnte.

"Die Brücke ist wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen", erklärte der Bürgermeister von Aulla, Roberto Valettini, gegenüber der Nachrichtenagentur Ansa. Besonders überrascht war er vom Einsturz aber nicht: Die Gemeinde hatte den staatlichen Straßenbetreiber Anas, der für die Brücke zuständig ist, schon im vergangenen August auf große Risse in der Fahrbahn aufmerksam gemacht. Auch Autofahrer hatten an die Anas geschrieben. Im November wurde die Brücke schließlich ausgebessert, aber nach Auffassung des Bürgermeisters nicht ausreichend. Die Techniker der Anas hätten aber versichert, dass keinerlei Einsturzgefahr bestehe und auch keine Verkehrsbeschränkungen nötig seien.

"Herrenlose" Brücken

Vor dem Hintergrund der Tragödie in Genua wirkt der neue Brückeneinsturz in der Toskana wie ein Film, den man bereits gesehen hat: Auch beim Morandi-Viadukt waren die Schäden seit Jahren bekannt gewesen, und unternommen wurde wenig. In Italien werden aus Geldmangel oder wegen bürokratischer Hindernisse oft auch obligatorische Revisionen an Brücken nicht durchgeführt; deswegen weisen laut Experten inzwischen 3.500 der 14.500 Brücken im Besitz der Anas einen Unterhaltsrückstand auf, zum Teil in gravierendem Ausmaß.

Ein weiterer Grund für die Vernachlässigung hunderter Brücken liegt darin, dass diese sozusagen herrenlos sind: Bis vor kurzem waren die Provinzen für den Unterhalt der Straßen und Brücken auf den "strade provinciali" (Provinzstraßen) zuständig gewesen – seit der Abschaffung der Provinzen durch die Regierung Renzi fühlt sich nun niemand mehr zuständig für deren Unterhalt. Viele dieser "herrenlosen" Brücken hat die Anas übernommen, im Jahr 2018 auch die eingestürzte Brücke in Aulla. Für einen ordnungsgemäßen Unterhalt hat es offenbar nicht mehr gereicht. Die Staatsanwaltschaft hat den ganzen Straßenabschnitt beschlagnahmt und Ermittlungen zu den Verantwortlichkeiten eingeleitet. (Dominik Straub aus Rom, 8.4.2020)