Der virtuelle Handshake soll in Zukunft automatisch erfolgen.

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Händeschütteln geht jetzt auch automatisch: Das ist das größte neue Feature, das bei der App "Stopp Corona" des Roten Kreuzes am Donnerstag eingeführt wird. Sie soll dabei helfen, das Coronavirus einzudämmen, indem User ihre physischen Kontakte anhand einer pseudonymisierten ID speichern.

Im Fall einer Infektion werden sie via Push-Benachrichtigung gewarnt. Bisher mussten Nutzer den Kontakt aber manuell eintragen und per Knopfdruck "die Hände schütteln" – in der Praxis eher unwahrscheinlich, das bei fremden Menschen zu tun, wie Kritiker zuvor monierten. Nun soll das also auch automatisiert via Bluetooth oder WLAN gehen.

Quellcode wird offen gelegt

Ebenso neu ist ein Selbsttest, bei dem man mit vier Fragen seine Symptome prüft und im Verdachtsfall Kontakte warnt, noch bevor Testergebnisse vorliegen. In Zukunft will das Rote Kreuz außerdem den Quellcode der App veröffentlichen, jedoch brauche man dafür noch Zeit, wie eine Sprecherin zum STANDARD sagt. Die App sei enorm kurzfristig programmiert worden, weswegen es noch ein wenig dauere, um eine passende Dokumentation zu erstellen. Jedoch stelle man den Code vorab bestimmten Organisationen zur Verfügung.

Die Frage, ob "Stopp Corona" in Zukunft verpflichtend oder mit bestimmten Vor- oder Nachteilen verknüpft werden könnte, ließ die Regierung in der Vergangenheit immer wieder offen: So wollte etwa Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das zunächst nicht ausschließen, änderte aber später auf Druck des grünen Koalitionspartners seine Position. Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) dachte öffentlich laut über solche Maßnahmen nach.

Treffen von Klubchefs und Experten

Am Donnerstag steht nach der Präsidiale des Nationalrats jedenfalls ein Treffen der Klubobleute an. Dort soll gemeinsam mit Experten über die "Stopp Corona"-App des Roten Kreuzes diskutiert werden. Die Oppositionspolitiker dürfen auch eigene Fachleute mitnehmen, um Fragen zu der Technik und Sicherheit der App zu klären.

Normalerweise finden solche Runden statt, bevor ein neues Gesetzespaket ansteht. Das wird von den Grünen allerdings mit Nachdruck dementiert. Die App solle freiwillig bleiben, heißt es – ganz im Sinne des Roten Kreuzes.

Europaweit setzen Regierungen auf Überwachungsmethoden, um das Virus einzudämmen. Die EU-Kommission will nun daher einheitliche Regeln für Coronavirus-Apps einführen. So soll es eine Methodologie geben, um beispielsweise ihren Nutzen zu untersuchen. Auch will sie eine Verpflichtung zu Kontrollen schaffen, um zu prüfen, ob Datenschutzregeln eingehalten werden. Außerdem möchte die EU-Kommission die Regierungen beziehungsweise die App-Anbieter dazu verpflichten, die Daten zu löschen, sobald die Krise bewältigt ist.

Aktuell variiert das Ausmaß der Überwachung je nach Land massiv: So setzt Polen etwa auf eine App, die Personen, die in Quarantäne geschickt wurden, zu zufälligen Zeiten dazu auffordert, ein Selfie zu schicken. Dieses wird mit älteren Fotos abgeglichen, um zu prüfen, ob die Regeln tatsächlich eingehalten werden. Zahlreiche Länder, darunter etwa Österreich mit "Stopp Corona", aber auch beispielsweise Deutschland, Belgien und Großbritannien, setzen auf weniger in die Privatsphäre eingreifende Maßnahmen: Smartphone-Apps werden als Mittel zum "Contact Tracing", dem Nachverfolgen von Kontakten, genutzt.

Privatsphäre im Fokus

Eine einzelne, europaweite App hat sich bisher nicht durchgesetzt, jedoch haben zahlreiche Unternehmen, Wissenschafter und Forschungseinrichtungen zuletzt das gemeinsame Projekt Pepp-PT vorgestellt, den Vorschlag einer technischen Grundlage für Coronavirus-Apps. Der Fokus liegt dabei auf der Wahrung der Privatsphäre. Das soll mithilfe einzigartiger Codes, die für jedes Smartphone zeitweise generiert werden, gelingen. Auch hier wird beim Kontakt mit einer zweiten Person eine Verbindung hergestellt und der Kontakt gespeichert.

Da sich diese Codes laufend ändern, können sie auch nicht genutzt werden, um die Wege einzelner Personen nachzuverfolgen. Wer sich infiziert, wird von den Gesundheitsbehörden kontaktiert und erhält eine einmalige TAN – daraufhin können User freiwillig die Möglichkeit einräumen, die Information weiterzugeben. Etwa das deutsche Robert-Koch-Institut hat sich auf diesen Standard festgelegt. (Muzayen Al-Youssef, Fabian Schmid, 8.4.2020)