Der ungarische Botschafter in Wien, Andor Nagy, und Leser Günter Braun mit Wortmeldungen zu Ungarns Corona-Gesetz.

Ungarns Parlament tagt

Die Verabschiedung des Coronavirus-Gesetzes in Ungarn hat heftige Kritik in den österreichischen Medien, aber auch im Nationalrat hervorgerufen. Ministerpräsident Viktor Orbán wurde unterstellt, dass er eine Art Diktatur aufbauen und die Coronavirus-Gefahrenlage für den Ausbau seiner Macht missbrauche wolle. Dazu habe er angeblich das Parlament ausgeschaltet. Lassen Sie mich bitte einige Punkte klarstellen: Viktor Orbán schützt seine eigene Bevölkerung gegen die Pandemie und errichtet keine Diktatur. (...)

Das Gesetz überträgt der Regierung nur die Befugnis, Notverordnungen zu erlassen, um die Coronavirus-Krise zu bewältigen. Alle anderen Befugnisse des Parlaments werden nicht angetastet. Das Ende dieses Gesetzes bestimmt die Volksvertretung – und nicht etwa die Regierung. Ja, es gibt keine zeitliche Befristung des Gesetzes. Damit befindet es sich aber lediglich im Einklang mit der Coronavirus-Krise, deren Ende derzeit niemand voraussehen kann. Übrigens kann das Verfassungsgericht weiterhin jedes Gesetz und jede Verordnung auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen. (...)

Da das Parlament weiterhin tagt – auch in der gegenwärtigen Woche gibt es Sitzungen –, kann von einer "Selbstausschaltung des Parlaments" keine Rede sein.

Andor Nagy, ungarischer Botschafter in Wien

Viktor Orbán im Parlament, dieser Tage in Budapest.
Foto: EPA / Szilard Koszticsak

Keine vernünftige Opposition

Das ungarische Parlament hat Herrn Orbán unter dem Titel "Corona" einen Persilschein gegeben. Aber ist dadurch das Parlament wirklich ausgeschaltet? Es kann diesen Persilschein jederzeit auch widerrufen! Tatsache ist leider (!), dass die Fidesz im ungarischen Parlament über eine komfortable Zweidrittelmehrheit verfügt, aber das Volk könnte diese Situation jederzeit abwählen. (...) Warum das mit dem "Abwählen" derzeit nicht funktioniert? Es fehlt in unserem Nachbarland eine vernünftige Opposition beziehungsweise ein attraktiver Kandidat derselben. (...)

Orbán ist für demokratische Verhältnisse "grenzwertig", aber soweit ich mich erinnern kann, war in Ungarn vor Orbán politisches Chaos. Also: Wo bleibt die ernstzunehmende Opposition? Sobald sich eine solche findet, wird auch Ungarn wieder zur reinen Demokratie zurückfinden!

Günter Braun, 1020 Wien (9.4.2020)