Bernie Sanders will nach seinem Abgang kein Zerwürfnis zwischen den Demokraten. Zu seinen Unterstützern zählten viele junge Wähler.

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Es sind große Namen, auf die sich Bernie Sanders zum Abschied beruft, in einer Mail an seine Fans. Nelson Mandela zitiert er mit den Worten, dass immer alles unmöglich erscheine, bis es schließlich passiere. Martin Luther King, sagt er, an den Prediger der Bürgerrechtsbewegung erinnernd, habe formuliert, dass der Bogen des moralischen Universums lang sei, sich aber der Gerechtigkeit zuneige.

Seine Bewegung, schlägt der 78-Jährige den Bogen zur eigenen Kandidatur, habe zu Letzterem beigetragen, indem sie eine ideologische Schlacht gewann. Heute sei eine Mehrheit der Amerikaner der Meinung, dass der Mindestlohn auf 15 Dollar pro Stunde angehoben werden müsse und die Gesundheitsfürsorge ein Menschenrecht sei, dass die Energiewirtschaft von fossilen Brennstoffen loskommen und gute Bildung allen, unabhängig vom Einkommen, zur Verfügung stehen müsse. Dann folgt ein Satz in nüchternster Prosa: "Ich wünschte, ich hätte bessere Neuigkeiten zu verkünden, aber ich denke, ihr kennt die Wahrheit."

Obwohl er sich der Unterstützung junger Leute und arbeitender Menschen im ganzen Land erfreue, sei er zu dem Schluss gelangt, dass er im Duell um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten keinen Erfolg haben könne, sagt Sanders. Trotz der vielen noch ausstehenden Vorwahlen sehe er keine Möglichkeit mehr, seinen Rivalen noch einzuholen. Folglich werde er sich nicht mehr aktiv am Wahlkampf beteiligen, "und ich gratuliere Joe Biden, einem sehr anständigen Mann, zu seinem Sieg". Dennoch, schob der Senator aus Vermont hinterher, werde sein Name weiter auf Wahlzetteln stehen. Mit Blick auf den Nominierungsparteitag im August wolle er sich bemühen, weiterhin Delegiertenstimmen zu sammeln, um größtmöglichen Einfluss auf die im Sommer zu beschließenden Programme zu nehmen.

Diesmal kein Zerwürfnis

Die Komplimente für den Sieger, der Verzicht auf jegliche Polemik gegenüber Biden – zumindest aus heutiger Sicht scheint es so, als bleibe den Demokraten im Wahljahr 2020 erspart, was sie 2016 an den Rand einer Zerreißprobe brachte. Damals war das Klima zwischen Sanders, dem überraschend stark auftrumpfenden Außenseiter, und Hillary Clinton, der Favoritin, monatelang regelrecht vergiftet.

Als Clinton im Juli offiziell zur Kandidatin gekürt wurde, hatte Sanders alle Mühe, seine lautstark protestierende Basis zu besänftigen. Diesmal sieht es danach aus, als könnten sich der linke und der moderate Parteiflügel, letzterer vertreten durch Biden, in vergleichsweise sachlichen Diskussionen auf Kompromisse einigen. Bereits am Mittwoch unterstrich Biden mit überlegten Worten, wie sehr ihm am Brückenbau gelegen ist. "Ich werde euch die Hand reichen, ihr werdet bei mir Gehör finden", betonte er, an Sanders' Anhänger gewandt. "Wie ihr selber sagt: Nicht ich, sondern wir."

Noch im Februar, nach bitteren Vorwahlniederlagen in Iowa und New Hampshire, stand die Frage im Raum, ob der ehemalige Vizepräsident Barack Obamas nicht schon bald die Segel streichen müsse. Die Wende gelang ihm in South Carolina, wo die Wählerschaft der Demokraten mehrheitlich aus Afroamerikanern besteht, die Biden nicht zuletzt für seine achtjährige Loyalität gegenüber Obama belohnen wollten. Kurz darauf, am Super Tuesday, kam der plötzlich Erfolgreiche erneut vor seinem härtesten Widersacher ins Ziel, wobei er davon profitierte, dass seine moderaten Kontrahenten bemerkenswert konsequent ausstiegen, um ihm nicht das Wasser abzugraben. Die Angst, mit Sanders einen Bewerber ins Rennen gegen Donald Trump zu schicken, der womöglich zu weit links steht und deshalb verliert, war das ausschlaggebende Motiv.

Vorwahl trotz Corona-Krise

Die bislang letzte Primary, am Dienstag in Wisconsin, ging unter geradezu bizarren Umständen über die Bühne. Einen vom Gouverneur, einem Demokraten, eingebrachten Antrag auf Verschiebung schmetterte das Oberste Gericht des nördlichen Bundesstaats ab. In Milwaukee, der größten Stadt Wisconsins, hatten lediglich fünf von 180 Wahllokalen geöffnet, auch, weil etliche Wahlhelfer aus Angst vor Ansteckungen zu Hause geblieben waren. Inmitten des Corona-Ausbruchs auf Primaries zu bestehen, protestierte Bernie Sanders, "ignoriert den Rat von Fachleuten und könnte sich sogar als tödlich erweisen".

Wenige Stunden darauf verkündete er das Ende seiner präsidialen Ambitionen. In einer so schweren Krise wie der Corona-Epidemie, sagte er, könne er nicht guten Gewissens eine Kampagne fortsetzen, die keine Chance mehr auf den Sieg habe – und nur behindern würde, was alle Amerikaner in dieser schweren Stunde zu leisten hätten. (Frank Herrmann, 9.4.2020)