Die Wiener Mariahilfer Straße ist bereits Begegnungszone. Wegen der Coronavirus-Krise werden noch vor Ostern vier weitere temporäre Begegnungszonen in der Stadt eröffnet.

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Der kleine Zwist innerhalb der rot-grünen Wiener Stadtregierung dürfte beigelegt sein. Am Donnerstag verkündeten Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und seine Stellvertreterin Birgit Hebein (Grüne) die Schaffung von neuen temporären Begegnungszonen und die Öffnung gesperrter Straßen für Fußgänger.

"Die Corona-Krise hat unseren Alltag in der Stadt massivst verändert", erklärte Hebein bei einer Pressekonferenz. Man dürfe nur noch aus den vier bekannten Gründen das eigene Heim verlassen: einkaufen, Älteren und Risikogruppen helfen, zur Arbeit fahren oder um "Luft zu schnappen und einen Spaziergang zu machen". Doch dafür brauche es Platz, vor allem im urbanen Raum ist dieser umkämpft. "Spät, aber doch" werden nach Ostern die Bundesgärten geöffnet, sagte Hebein. Durch die Parkschließungen fehlte laut der Stadt eine Fläche von 230 Hektar Grünflächen – das sei vergleichbar mit dem gesamten Bezirk Margareten. Laut Berechnungen der Stadt leben rund 113.500 Personen in maximal 500 Metern Distanz zu einem Bundespark. Rund tausend Anlagen der Stadt Wien blieben hingegen trotz Ausgangsbeschränkungen geöffnet, sagte Ludwig.

Fünf temporäre Begegnungszonen vor Ostern

"Nicht alle haben einen Balkon oder eine Terrasse", betonte Hebein. Es gehe nun um jene Menschen, die keinen Garten haben und keinen Park in der Nähe besuchen können. "Auch sie brauchen Platz." Für sie werden die ersten neuen temporären Begegnungszonen eröffnet.

Die ersten vier Zonen treten schon dieses Wochenende in Kraft. Sie befinden sich im Dritten in der Rechten Bahngasse, im Achten in der Florianigasse zwischen der Zweierlinie und der Skodagasse, im 16. Bezirk in der Hasnerstraße und im 18. Bezirk in der Schopenhauerstraße.

Kommende Woche sollen weitere Begegnungszonen folgen. Diese befinden sich in der Leopoldstadt, in Neubau, Margareten, Wieden und Favoriten.

Gesperrte Straßen werden geöffnet

Zudem sollen gesperrte Straßen geöffnet werden, wie es die Bundesregierung durch ihre Verordnung zur Straßenverkehrsordnung ermöglicht hatte. "Wir werden 20 Straßen, die mit einem Fahrverbot belegt waren, mit einem Zusatzschild versehen, das besagt, dass Fußgänger die Fahrbahn nutzen können", erklärte Hebein. Darunter fallen beispielsweise die Habsburgerstraße, die Nordportalstraße, der Stella-Klein-Löw-Weg und ein Teil der Gallitzinstraße. "Das sind bereits gesperrte Straßen, wir erlauben nur das Gehen auf diesen Straßen. Es werden bis jetzt keine zusätzlichen Straßen gesperrt."

Auch eine Sperre des Rings sei diskutiert worden, sagte Hebein. Diese wird aber nicht kommen. Der Vizebürgermeisterin sei es wichtig gewesen, "Platz dort zu schaffen, wo kein Park in der Nähe ist und man auch einmal eine Runde um den Häuserblock gehen will". Denn je weniger sich die Leute im öffentlichen Raum drängen müssen, "desto besser kann man den Abstand halten", sagte Hebein. "Wir beobachten jetzt bis Anfang Mai, ob es angenommen wird, dann wird es eine Verlängerung geben."

Bedenken offenbar ausgeräumt

Noch bis vor kurzem stand Ludwigs SPÖ der Straßenöffnung und den temporären Begegnungszonen kritisch gegenüber. Was sich geändert hat? "Ich habe meine Bedenken der Vizebürgermeisterin mitgeteilt. Sie hat mir versichert, dass sichergestellt wird, dass das gut funktioniert", sagte Ludwig.

Über Ostern wolle er den Wienern mitgeben, dass sie "weiterhin so diszipliniert sind und viel zu Hause bleiben", sagte der Bürgermeister. Allerdings verstehe er auch das Bedürfnis, "phasenweise hinauszugehen, aber bitte mit Abstand".

Weitere Maßnahmen für Wissenschaft und Wirtschaft

Weitere Maßnahmen kündigte Ludwig zur Unterstützung der Bemühungen der Wissenschaft an, einen Impfstoff zu finden. Die Stadt wolle diese mit einer Million Euro unterstützen.

Zudem habe man die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft beobachtet und überlegt, "wie wir schnell Kapital in Unternehmen bringen", sagte Ludwig. Hier sei ein neuer Weg gewählt worden: "Kapital der Stadt zur Verfügung zu stellen, um Beteiligungen an Unternehmen zu übernehmen." Diese seien mit einer Minderheitsbeteiligung von 20 Prozent gedeckelt. "Damit sich die Unternehmen nicht sorgen müssen, dass wir Einfluss nehmen", erklärte Ludwig. Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) habe dazu auch 30 Millionen Euro von privaten Investoren aufgestellt. Die Stadt wolle Unternehmen mit dieser auf 20 Prozent limitierten Beteiligung langfristig unterstützen, und zwar mit "maximal einer Million Euro", sagte Hanke. "Diese Unternehmen müssen prinzipiell wirtschaftlich gesund sein", sagt Hanke zudem. Eine Schieflage in der aktuellen Situation sei freilich verständlich.

Auch gibt es laut Hanke eine neue Förderaktion für KMUs. Sie sollen im digitalen Wettbewerb mit den Großen mithalten können. Die Wiener Wirtschaftsagentur wickelt die Aktion ab, bis zu 10.000 Euro können für Investitionen eingereicht werden, die Förderquote ist 75 Prozent. Insgesamt sind sieben Millionen Euro im Topf.

Beiträge für Betreuung entfallen

Im Bildungsbereich habe die Stadt einige Forderungen an den Bund, aber wolle auch selbst einen Beitrag leisten, sagte Ludwig. So sollen Schüler und vor allem auch Eltern unterstützt werden.

Die Stadt verzichtet in städtischen Kindergärten und Horten auf den finanziellen Beitrag der Eltern und unterstützt private Einrichtungen. Dabei geht es um 68 Euro pro Kind bei den Essensbeiträgen und 176 Euro pro Kind als Besuchsbeitrag im Hort – das seien "nichtkonsumierbare Leistungen", weil die meisten Kinder ja nicht in Betreuung sind, auf denen die Eltern nicht sitzenbleiben sollen. (Oona Kroisleitner, 9.4.2020)