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Tel Aviv im Ausnahmezustand. Für die einen Qual, für die anderen Highlight.

Foto: AP/Oded Balilty

Die Straße gehörte in dieser Nacht den Straßenkatzen und Polizisten. Die einen auf der Suche nach Nahrung, die anderen auf der Suche nach Hausarrest-Brechern: Eineinhalb Monate nachdem der erste Corona-Fall in Israel entdeckt worden war, erlebte Israel sein erstes landesweites Ausgehverbot. Zwar ist die Vorschrift, sich maximal hundert Meter vom eigenen Haus zu entfernen, schon seit einigen Wochen in Kraft. Es gab aber vielerlei Ausnahmen: Wer zum systemrelevanten Arbeitsplatz muss oder in hundert Metern Entfernung keinen Supermarkt hat, darf auch größere Distanzen zurücklegen.

Alle Geschäfte zu

Kontrolliert wurde bisher nur stichprobenartig. Mit dem Pessachfest änderte sich das schlagartig: Ab Mittwoch 15 Uhr und bis Donnerstag 7 Uhr wurde kontrolliert und abgestraft. Die meisten Israelis hielten sich aber an die Ausgehsperre. Draußen gab es ohnehin nichts zu tun: Alle Geschäfte mussten um drei Uhr nachmittags ebenfalls zusperren, selbst diejenigen, die sonst feiertags offen haben dürfen. Um ihren Angestellten zu ermöglichen, dass sie vor der Blockade zu Hause sind, ließen manche Handelsketten die Rollbalken schon vor 15 Uhr herunter.

Zusätzlich zum Ausgehverbot hatte die Regierung ein dreitägiges Reiseverbot verhängt, die eigene Stadt zu verlassen war seit Dienstagnachmittag untersagt.

"Was wir zu Purim erlebt haben, darf sich nicht wiederholen", spielte Premier Benjamin Netanjahu auf das religiöse Fest Anfang März an, das laut Epidemiologen wegen der großen Menschenansammlung zu einer raschen Ausbreitung des Sars-CoV-2-Virus in manchen Gegenden Israels geführt hatte.

Werbespot für die Minifeier

Mit eigenen Werbespots appellierte das israelische Gesundheitsministerium an die jüdische Bevölkerung, das Pessachfest heuer nur mit jenen Familienmitgliedern zu feiern, mit denen man auch in den vierzehn Tagen vor dem Fest zusammengewohnt hat – "damit wir nächstes Jahr wieder alle zusammen feiern können", wie es in dem Clip heißt.

Zahlreiche Familien und Kibbuzniks verlagerten den Sederabend, wie die abendliche Feier des Pessachfests genannt wird, ins Internet, sie beteten und sangen per Videokonferenz und hielten die randvoll gefüllten Weingläser vor die Webcams. Um 20.30 Uhr traten viele auf den Balkon, um das Lied "Ma nishtanah" gemeinsam mit den Nachbarn zu singen.

Dass der Seder-Pessach zum "Seger-Pessach" (hebräisch für "Quarantäne-Pessach") wurde, war aber auch umstritten. Grund waren die Diskussionen im Kabinett Netanjahu, die der Entscheidung vorangegangen waren. Hohe Beamte im Gesundheitsministerium und der Sicherheitsapparat hatten nämlich gefordert, dass ultraorthodoxe Viertel und Städte konsequent abgeriegelt werden, um zu verhindern, dass die Frommen dort wie gewohnt das Pessachfest in der Großfamilie begehen. Das scheiterte aber am Widerstand der ultraorthodoxen Parteien, angeführt von Gesundheitsminister Yaakov Litzman, die in der Abriegelung nur mancher Gebiete eine Ungleichbehandlung sahen.

Zum Osterfest ist auch das allgemeine Reiseverbot wieder außer Kraft. Die Regel, dass man sich außerhalb des eigenen Haushalts maximal zu zweit treffen darf – und auch das nur unter Einhaltung des Zwei-Meter-Abstands –, gilt aber weiterhin.

Für die Menschen in Jerusalem, Nazareth und Betlehem sind die Corona-Beschränkungen jedenfalls ein finanzielles Desaster. Das Ostergeschäft, der weltweite Pilgertourismus ins Heilige Land, ist ihr ökonomisches Rückgrat. (Maria Sterkl aus Tel Aviv, 9.4.2020)