Rainer Seele will trotz Problemen die Dividende erhöhen.

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Rainer Seele bläst ein rauer Wind entgegen. Er sitzt seit Wochen in Irland fest, wohin er sich trotz Reisewarnung begeben hat, und managt von dort die OMV. In Zeiten von Homeoffice stellt die physische Absenz zwar kein unlösbares Problem dar, doch sie trägt zur steigenden Kritik am Chef des größten börsennotierten Konzerns der Republik bei.

Bis vor kurzem gab es wenig am Kurs des Deutschen, der heuer 60 wird, zu bemängeln. Er räumte im Öl- und Gaskonzern nach seinem Amtsantritt vor fünf Jahren zügig auf und schaffte in zwei Jahren eine Verdoppelung des Aktienkurses. Für die Republik als Hauptaktionär entpuppte sich Seele auch wegen steigender Dividenden als Glücksgriff.

Gut vernetzt

Mit dem Erfolg stieg auch die Macht des bestens vernetzten Chemikers, der die Zügel fest im Griff hatte. Bis vor kurzem, denn Seeles jüngster Megadeal ging nicht ganz reibungslos über die Bühne. Die Rede ist von der Aufstockung der OMV-Beteiligung am Kunststoffkonzern Borealis, für den die Österreicher mehr als vier Milliarden Euro springen lassen. Der Vorstand habe die Großakquisition dem Aufsichtsrat ziemlich überfallsartig als Tischvorlage unterjubeln wollen, also ohne ihm für die Prüfung eine angemessene Zeit einzuräumen.

Zwar gilt die Umorientierung weg von Öl hin zu Kunststoff als strategisch richtig, aber die Vorgangsweise sorgte für Verstimmung. Die Staatsholding Öbag soll mit dem Betriebsrat gemeinsame Sache gemacht haben, um den Zukauf zwecks eingehender Evaluierung nach hinten zu verschieben. Der Aufsichtsrat beschloss ihn dann erst im zweiten Durchgang. "Seele ist ein Machtmensch, die Einbindung des Aufsichtsrats ist nicht seine Stärke", erzählt ein Involvierter. Dann kam Corona. Das Virus brachte ein großes Sparpaket, zu dem neben einer Reduktion der Investitionen auch größere personelle Kürzungen zählen.

Dienstwagen gestrichen

Mit Abstrichen beim Management – rund 50 Dienstwagen werden eingezogen, KV-Erhöhungen gestrichen – verschafft sich Seele, der selbst im Vorjahr 3,36 Millionen verdiente, einigen Gegenwind. Auch Pensionierungen und Sozialpläne sollen im Gespräch sein. Dass bei Mitarbeitern gespart und mit der Russin Elena Skvortsova ein fünftes Vorstandsmitglied geholt wird, findet überhörbaren Anklang, auch wenn der Posten im Vorjahr ausgeschrieben wurde. "Die Stimmung in der OMV ist aggressiv", sagt ein Aufsichtsratsmitglied, das namentlich nicht genannt werden will.

Dazu kommt die Sorge, dass sich die OMV aus der Öl- und Gasförderung zurückziehen könnte – auch im Weinviertel. Montanleute sehen darin immer noch eine Art Herzstück des Konzerns, der dort 1934 mit Bohrungen begann.

Ölpreissturz belastet

Während der Ölpreiseinbruch und der Lockdown der OMV zu schaffen machen, soll Seele an der Dividende festhalten. Selbst Sympathisanten des Chefs finden, dass Personalmaßnahmen und höhere Ausschüttung nicht so leicht unter einen Hut zu bringen seien.

Die OMV sieht die Abwesenheit Seeles in der kritischen Phase nicht als großes Thema, zumal der Chef auch in normalen Zeiten viel unterwegs sei. "Er ist von früh bis spät in Telefonkonferenzen", so Konzernsprecher Andreas Rinofner. Er betont, dass die Aufstockung bei Borealis ein echter "Gamechanger" sei, mit dem die OMV die Weichen in Richtung CO2-ärmere Zukunft stelle. Das sollte Seele auch Teilen des Managements noch einmal erklären – wenn er wieder im Lande weilt. (Andreas Schnauder, 10.4.2020)