Austrias Christian Ilzer (42) ...

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... und Didi Kühbauer (49) von Rapid haben ihre Spieler schon seit mehr als vier Wochen nicht mehr gesehen. Die Sehnsucht nach richtigem Fußball wächst bei beiden.

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Didi Kühbauer malträtiert daheim in Burgenland seien Garten. Vor Corona ist der Rapid-Trainer nur ein passiver Nutzer gewesen. "Ich habe ihn angeschaut. Ob er meine Aktivitäten übersteht, wird sich in ein paar Wochen zeigen." Sein Kollege von der Austria, Christian Ilzer, hat in Hinterbrühl gleich den Wald vor der Tür, ausgedehnte Spaziergänge sind die Ergänzung zum Homeoffice. "Es ist wichtig, strukturiert zu bleiben, nicht länger zu schlafen, die Essenszeiten einzuhalten." Ilzer sieht diese extreme, gespenstische Situation "als Herausforderung. Ich mag Herausforderungen. Ich arbeite bis zu acht Stunden, halt anders. Ich will die Austria wieder in die Spur bekommen, das treibt mich an."

Beide haben zwei Kinder und jeweils eine Frau, Kühbauer kümmert sich um zwei Töchter (15 und 13), Ilzer um zwei Söhne (13 und 6). Kühbauers Jüngere zählt österreichweit zu den besten Tennisspielerinnen in dieser Altersstufe, auch sie leidet unter der verordneten Bewegungseinschränkung. "Aber sie trainiert Kraft und Kondition. So wie die Fußballer. Halt ohne Ball." Der Kollege von der Austria hilft den Buben bei den Mathematikhausübungen, es ist eine Form von Entschleunigung. "Seit 2011 war ich dauernd unter Strom und unterwegs, jetzt kriege ich meine Kinder mit." Wobei die Sehnsucht nach der gewohnten Ausübung des Jobs, nach der zweiten Familie, der Austria, "wächst. Ich will Matches. Im Idealfall gewonnene."

Kühbauer vermisst das Miteinander, die sozialen Kontakte, die Normalität. "Die gemeinsamen Emotionen, das Lachen, das Freuen, das Ärgern, die Arbeit auf dem Platz. Ich schaue den Menschen gerne in die Augen. Wir waren vor der Unterbrechung erfolgreich." Die Profis haben Heimprogramme bekommen, beide Coaches sind überzeugt, "dass sie alles machen. Und noch mehr."

Virtueller Alltag

An der Erstellung waren die Athletiktrainer – Alexander Steinbichler für Rapid, Marco Angeler für die Austria – maßgeblich beteiligt, sie sind sozusagen die Helden des virtuellen Alltags. Bei den Grün-Weißen hat jeder Kicker einen individuell abgestimmten Leitfaden bekommen, die Violetten differenzierten weniger, nur Rekonvaleszente wurden mit Spezialübungen beglückt. Ilzer: "Jeder muss Selbstverantwortung übernehmen. Es sind schwierige Zeiten für alle Menschen." Kühbauer: "Ein Beamter leidet genauso wie ein Fußballer, der von der Bewegung lebt." Der Rapidler telefoniert regelmäßig mit seinen Spielern, erkundigt sich nach dem Befinden. Einmal pro Woche sind in einer großen Videokonferenz alle zugeschaltet. "Das stärkt den ohnedies intakten Teamgeist. Sie können sich wenigstens am Bildschirm sehen und gegenseitig aufbauen." Ilzer beschränkt den Kontakt auf den Betreuerstab und die im Verein Verantwortlichen. "Aber natürlich bin ich für jeden jederzeit erreichbar."

Sie warten auf weitere Anweisungen und im Idealfall auf Lockerungen der Regierung, der Gesundheitsexperten. Als nächster Schritt könnte ein Training in Kleingruppen ohne Körperkontakt erlaubt werden. Kühbauer: "Das ist Neuland, kann ein Mannschaftraining nicht ersetzen. Aber immerhin ist der Ball fix dabei." Er geht davon aus, dass physisch "alle top sind. Aber es fehlt der Match-Stress, das Verhalten in Zweikämpfen, der Automatismus mit und ohne Ball. Das kann man nur gemeinsam aufholen. Natürlich verlernt man das Fußballspielen nicht. Es wird darauf ankommen, wie schnell man sich wieder zurechtfindet. Das ist auch eine Frage des Glücks." Rapid ist nach dem Grunddurchgang Dritter, die Austria muss als Siebenter in die Qualifikationsrunde.

Rad ohne Reifen

Kühbauer wie Ilzer hoffen auf ein sportliches Ende der Meisterschaft. Um Match-fit zu sein, reichen laut Ilzer "zehn Tage gemeinsames Training aus. Dann könnte man alle drei oder vier Tage spielen." Kühbauer hat sich mit Geisterspielen zähneknirschend abgefunden. "Die sind zwar wie ein Rad ohne Reifen, aber sie sind auch Fußball." Ilzer stimmt überein. "Man sieht uns immerhin im Fernsehen, das ist eine wirtschaftliche Notwenigkeit."

Bei den Wiener Großklubs wurde die Corona-Kurzarbeit eingeführt, Spieler, Geschäftsführer und natürlich Trainer verzichten, ohne zu murren, auf Teile des Gehalts. "Eine Selbstverständlichkeit. Es geht um Solidarität, um Kompromisse." Didi Kühbauer stellt ein für alle Mal klar: "Ich bin Trainer, kein Gärtner." (Christian Hackl, 10.4.2020)