Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) präsentierte am Freitag die Ergebnisse der Stichprobenstudie.

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Christoph Hofinger berechnet normalerweise, wie Wahlen ausgehen. Jetzt musste er die Prävalenz der Coronavirus-Infizierten herausfinden.

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Fast 1.550 Stichprobentests wurden für eine Sora-Studie durchgeführt.

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1.544 Personen haben sich bei der repräsentativen Studie der Bundesregierung auf das Coronavirus mittels PCR-Test testen lassen. Am Freitag präsentierte Wissenschafts- und Forschungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) die vom Sozialforschungsinstitut Sora durchgeführte Untersuchung. Sora hatte die Auswahl der Stichprobe sowie die Auswertung vorgenommen, das Roten Kreuz die Abstriche gemacht, die Medizinische Universität Wien und weitere Institutionen haben ebenfalls mitgearbeitet. "Die bisherigen Testungen sind keinen statistischen Kriterien, sondern medizinischen gefolgt", betonte der Minister. "Uns war klar, dass die Datenbasis verbessert werden muss, damit wir wissen, wo wir uns epidemiologisch befinden." Im Vorfeld hatten Experten Kritik an der Aussagekraft der Studie geübt, etwa wegen der recht geringen Fallzahl und weil der Begriff "Dunkelziffer" ein irreführender sei.

Die Prävalenz, also die Rate der Anfang April am Coronavirus erkrankten Personen, lag laut Sora-Studie bei 0,33 Prozent. Auf die Gesamtbevölkerung gerechnet sind das rund 30.000 Personen, sagte Faßmann: "Der wahre Wert liegt deutlich über dem offiziell ausgewiesenen", erklärte der Minister. Zum Zeitpunkt, als die Testungen für die Studie durchgeführt wurden, waren laut Zahlen des Gesundheitsministeriums 8.500 Personen in Österreich offiziell an Covid-19 erkrankt. "Der Eisberg ist größer als gedacht", erklärte Faßmann.

Zwischen 10.200 und 67.400 Infizierte

"Es geht um eine Periodenprävalenz", sagte Sozialwissenschafter und Sora-Leiter Christoph Hofinger. Es gehe darum, zu sehen: "Wie viele Personen waren im Untersuchungszeitraum akut infiziert?" Im Unterschied zu Wahlen, wo es am Schluss ein Ergebnis gibt, könne man hier nie eine genaue Zahl liefern.

Laut der Schätzung von Sora waren Anfang April 28.500 Personen akut infiziert. Bei einem Konfidenzintervall, also wie präzise die Schätzung ist, von 95 Prozent könnte dieser Wert jedoch zwischen 10.200 und 67.400 Personen schwanken. Die Zahl 28.500 sei aber "der wahrscheinlichste Wert". In Prozent gerechnet, liegt die Zahl der zu diesem Zeitpunkt Infizierten bei 0,33 Prozent der Bevölkerung, mit der Schwankungsbreite bei 0,12 bis 0,76 Prozent.

Damit liege die Dunkelziffer dieses Zeitraums jedenfalls unter einem Prozent. Das Problem: "Ein niedriger Infektionsstatus verweist auf einen niedrigen Immunisierungsstatus", betonte Faßmann. "Die Zahl ist klein, auch weil die Maßnahmen gewirkt haben und die Bevölkerung sehr viel Disziplin gezeigt hat. Das ist aber die Crux mit dem exponentiellen Wachstum. Es steigt wahnsinnig schnell wieder an und ist schwierig wieder aufzuhalten, weil wir nicht ausreichend immunisiert sind."

Anschober wenig überrascht von den Ergebnissen

Für Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sind die Studienergebnisse ein Zeichen dafür, dass man auf dem richtigen Weg sei. Die Randomanalyse bestätige den Trend, den man bisher annahm, wichtig sei nun, weitere Analysen zu machen und auf bessere Testverfahren umzusteigen, sobald diese verfügbar sind.

Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH und bei der Pressekonferenz an der Seite Anschobers, sagte, die Ergebnisse würden eine gute und eine schlechte Nachricht mit sich bringen. Die gute Nachricht: Es sei recht unwahrscheinlich, dass es zu zusätzlichen Ansteckungen kommt, immerhin ist die Wahrscheinlichkeit, jemand Infizierten zu treffen, bei 0,33 Prozent der Gesamtbevölkerung recht gering. Die schlechte Nachricht: Die natürliche Immunisierung würde bei einem derart geringen Durchseuchungsgrad viel Zeit in Anspruch nehmen, "wir reden da von fünf bis zehn Jahren". Umso mehr baue man also auf die Impfung.

Offen, wie viele immun sind

Nach dieser ersten repräsentativen Studie bleiben offene Fragen. Denn: Wie viele Menschen das Virus schon in der Vergangenheit hatten, kann mit den PCR-Tests, die angewandt wurden, nicht festgestellt werden. Dazu bräuchte man Antikörpertests, die aktuell nicht im notwendigen Ausmaß verfügbar sind.

Was man aber herausfinden konnte, und das sei, so Virologe Christoph Steiniger, die relevanteste Erkenntnis: Es gibt Menschen, die eine Infektion haben, ohne davon zu wissen. Darum würde sich vor allem ableiten können, dass die Maskenpflicht Sinn ergebe. Dennoch warnt Steininger davor, die Daten überzuinterpretieren: "Es braucht noch viel mehr Informationen", sagt er.

Selbst Sora-Leiter Günther Ogris räumt nach der Studienpräsentation ein: Über asymptomatische Verläufe würden die Daten recht wenig aussagen, "dafür hätten wir eine höhere Anzahl an Infizierten gebraucht", sagt Ogris.

Details zum Studienablauf

Die letzten PCR-Teströhrchen seien laut Ogris Dienstagfrüh verschickt worden. Insgesamt hat die Studie zwei Wochen gedauert. Das liege daran, dass positiv getestete Personen erst von Behörden informiert werden mussten, bevor Sora anonymisiert ihre Daten verwendet hat. "Darum dauert das ein bisschen länger als eine Hochrechnung für den ORF", sagte Ogris.

Die jüngste Person, die an der Studie teilgenommen hat, war jünger als ein Jahr, die älteste 94 Jahre alt. Ausgeschlossen wurden nur diejenigen, die in einem Spital aufenthaltig sind. Getestet wurde in Gemeinden und Wiener Bezirken. "Geschichtet nach Bundesland und Urbanität", sagte Ogris. Innerhalb der Gemeinden wurden die Testpersonen zufällig über das öffentliche Telefonverzeichnis ausgewählt. Zusätzlich wurden vom Computer zufällig generierte Nummern angerufen und in die Stichprobe einbezogen. Die einzige Vorgabe war, dass die Zahl der Studienteilnehmer pro Bundesland genau dem Verhältnis der jeweiligen Landesbevölkerung zur Gesamtbevölkerung entspricht. Die Teilnahmebereitschaft sei sehr hoch gewesen. 77 Prozent haben ihre Einwilligung zur Testung gegeben, erklärte Ogris: "23 Prozent Verweigerer ist ein sehr niedriger Wert für eine solche Studie."

Weitere Wellen an Tests

Man werde den Prozess nun weiter monitoren. Die Hoffnung sei jedenfalls, dass die Prävalenz nicht zunimmt. Es werde weitere Stichprobentestungen geben, eine "nächste und übernächste Welle", so Ogris. Diese wird aber nicht mehr Sora, sondern die Statistik Austria durchführen. Denn die Bundesanstalt könne für die Ziehung der Studienteilnehmer auf das Melderegister zugreifen. Schon bis Ende der nächsten Woche würden die ausgewählten Personen kontaktiert werden und einen Online-Fragebogen ausfüllen, erklärte Faßmann. Die nächste Probenentnahme durch das Rote Kreuz werde von 21. April bis 25. April stattfinden. "Entweder zu Hause oder in Drive-in-Stationen des Roten Kreuzes", erklärte der Minister das Vorgehen. Ende April liege die nächsten Prävalenz vor. (Oona Kroisleitner, 10.4.2020)