Foto: Screenshot heute.at

Der Presserat sieht Kosten für Abschiebungen auf heute.at falsch dargestellt. "Jede Abschiebung kostet 16.700 Euro", titelte das Portal am 4. November 2019. Der Artikel verstoße gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse. Der verlangt, dass Nachrichten gewissenhaft und korrekt recherchiert und wiedergegeben werden müssten.

"Heute" erkennt den Presserat nicht an und nahm nach Angaben des Selbstkontrollorgans der Presse in diesem Verfahren nicht Stellung. DER STANDARD bat Online-Chefredakteur Clemens Oistric und Print-Chefredakteur Christian Nusser um Stellungnahme. Oistric erklärte, man nehme nicht Stellung.

Heute.at berichtet in dem Artikel, dass es seit Beginn 2018 laut Innenministerium insgesamt 116 Charterflüge für Abschiebungen gegeben habe. Die Kosten pro Abschiebung würden sich dabei auf rund 16.700 Euro belaufen. Heute.at beziehe sich auf die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch den ehemaligen Innenminister Wolfgang Peschorn, wonach diese Summe die Flugkosten und "sonstige Kosten" wie Vorauskommandos, Dolmetscher oder Ärzte beinhalte.

Ein Leser kritisiert laut Presserat, dass die parlamentarische Beantwortung im Artikel verzerrt wiedergegeben werde. So habe Peschorn mehrmals darauf hingewiesen, dass in den angegebenen Kosten auch Tickets für Einzelrückführungen mit Linienflug enthalten seien. Im Artikel würden die Gesamtkosten für alle Flugabschiebungen (also auch jene für die Linienflüge) nur durch die Zahl der mit Charterflügen abgeschobenen Personen dividiert. Dadurch gelange man zu der falschen Schlussfolgerung, dass jede Abschiebung 16.700 Euro koste.

Presserat: "Falsch berechnet"

Der Senat 1 des Presserats schloss sich der Kritik des Lesers an: "Die Kosten pro Abschiebung wurden im Artikel falsch berechnet. Die Gesamtkosten für alle Abschiebungen in den Jahren 2018 und 2019 (19,5 Millionen Euro) wurden lediglich mit der Anzahl jener Abgeschobenen in Verbindung gebracht, die per Charterflug außer Landes gebracht wurden (das waren 1.167 Personen). Die Anzahl der Rückführungen per Linienflug, die in der parlamentarischen Beantwortung nicht erwähnt wird, wurde völlig außer Acht gelassen. Die fehlerhafte Berechnung bewirkte, dass die Kosten pro Abschiebung ein derart hohes Ausmaß erreichten."

Der Senat 1 bewertet als erschwerend, dass der Fehler die wesentliche Information des Artikels betraf und schon im Titel stand. Da "hätte sich der Senat eine besonders sorgfältige Recherche des Mediums in diesem Punkt erwartet". Der Senat sieht in der Falschdarstellung einen Verstoß gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex, wonach Nachrichten gewissenhaft und korrekt recherchiert und wiedergegeben werden müssen. Die Medieninhaberin von heute.at werde aufgefordert, über diese Entscheidung freiwillig zu berichten.

Die korrekten Zahlen: rund ein Zehntel

Laut Zahlen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl waren es 2018 4.661 Abschiebungen und 2019 5.331 Abschiebungen (exklusive "Dublin-Überstellungen", die nicht als Abschiebung gelten).Insgesamt also 9.992. Daraus ergibt sich bei Gesamtkosten von 19,5 Mio. Euro ein Kostenfaktor von etwa 1.950 Euro pro Abschiebung oder rund 11,7 Prozent des von der "Heute" angegebenen Betrags. (fid, gpi, 10.4.2020)