Das Immunsystem hat immer nur Platz für Antikörper gegen eine bestimmte Zahl von Erregern. Wenn die Pandemie vorbei ist, wird auch die Immunität gegen Sars-CoV-2 bei Genesenen abnehmen.

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Erste Studien haben gezeigt, dass Personen nach durchgemachter Sars-CoV-2-Infektion spezifische Antikörper entwickeln und immun sind. So hat etwa die Untersuchung jener ersten zusammenhängenden Covid-19-Fälle in Deutschland, der sogenannten Münchner Fallgruppe, ergeben: Nach zwei Wochen hatten alle neun Patienten Antikörper produziert.

Auch ein Experiment der Chinese Academy of Medical Sciences an Rhesusaffen hat gezeigt, dass bei den Tieren, die zuvor mit Sars-CoV-2 infiziert worden waren und wieder genasen, keine zweite Infektion hervorgerufen werden konnte. Und das, obwohl ihnen das Virus ein zweites Mal injiziert wurde, und zwar in einer sehr hohen Dosis. "Die überstandene Infektion hat selbst bei dieser extrem hohen Virusdosis eine neue Infektion verhindert", kommentierte Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, die Studie in seinem täglichen Podcast.

Durch diese Tierstudie als auch durch frühere Erkenntnissen zu Sars sowie Plausibilitäts- und Machbarkeitsannahmen gehen Experten davon aus, dass genesene Patienten ein nur sehr geringes Reinfektionsrisiko haben, heißt es auch vom Robert-Koch-Institut.

Aber wie lange?

Unklar ist, wie robust und dauerhaft dieser Immunstatus aufgebaut wird, sagt das Robert-Koch-Institut. Die Erfahrungen mit anderen Coronaviren-Infektionen wie Sars und Mers deuten aber darauf hin, dass die Immunität bis zu drei Jahre anhalten könnte. Um das sicher sagen zu können, müssen erst Studien gemacht werden, die die Immunität der Patienten über einen längeren Zeitraum beobachten. Auch Drosten vermutet, dass Genesene "zumindest für die Dauer der Pandemie und wahrscheinlich noch eine Zeit lang darüber hinaus" immun gegen das Virus sind.

Solange der Erreger in unserer Umgebung ist, und das wird in den nächsten zwei bis drei Jahren noch der Fall sein, kommt das Immunsystem von Genesenen immer wieder damit in Kontakt, erklärt Hannes Stockinger, Immunologe an der Med-Uni Wien. So lange hält es also das Immunwissen und die Antikörper aufrecht. Die Immunantwort funktioniert so: Verschiedene Zellen müssen zu wachsen beginnen und sich vermehren, damit sie den Erreger bekämpfen können. "Es werden temporär genau für diesen Erreger Abwehrstoffe aufgebaut", sagt Stockinger.

Wenn der Erreger irgendwann immer weiter zurückgedrängt wird und aus unserer Umgebung verschwindet, werden diese Abwehrzellen wieder zurückgefahren. "Denn der Platz im Körper ist beschränkt, und er muss dann Räume schaffen für Reaktionen auf andere Krankheitserreger", so der Immunologe. Mit einer Titer-Bestimmung kann analysiert werden, wie hoch die Konzentration von Antikörpern noch ist. Liegt sie unter einem bestimmten Wert, "dann müssen wir uns impfen lassen", sagt Stockinger.

Reaktiviertes Virus?

Zuletzt machten Berichte des koreanischen Center für Disease Control and Prevention die Runde, wonach 51 Patienten, die bereits zweimal negativ getestet und aus der Quarantäne entlassen worden waren, kurz danach erneut positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden. Ähnliche Meldungen gibt es auch aus China. Die Experten in Südkorea gingen daraufhin davon aus, das Virus habe sich in den Patienten von selbst reaktiviert. Belege für eine solche mögliche Reaktivierung gibt es nicht.

Auch ist unklar, ob die Patienten erneut Symptome entwickelten oder wieder ansteckend waren. Im Raum stehen außerdem Ungenauigkeiten bei den durchgeführten Tests. Möglich ist auch, dass die Patienten zu früh als geheilt entlassen wurden.

In seltenen Fällen gibt es theoretisch die Möglichkeit, dass sich Viren in bestimmten Zellen verstecken und später, wenn das Immunsystem aus irgendeinem Grund geschwächt ist, wieder reaktivieren, sagt Stockinger – und nennt als klassisches Beispiel das Herpes-Virus. "Ob das auch bei Sars-CoV-2 der Fall ist, dazu haben wir zu wenig Daten. Ausgehend von dem, was wir über andere Coronaviren wissen, ist das aber eher auszuschließen", sagt der Immunologe.

Therapie mit Plasma?

Im Blutplasma jener Menschen, die Covid-19 überstanden haben, befinden sich also Antikörper. Zahlreiche Unternehmen und Forschergruppen arbeiten aktuell daran, gespendetes Plasma von Genesenen im Labor zu präparieren und die Antikörper daraus anzureichern, um sie erkrankten Covid-19-Patienten zu verabreichen. Etwa auch am Standort Wien der Firma Takeda. "In wenigen Wochen werden wir diese Antikörper als erste Therapeutika made in Austria zur Verfügung haben", sagt Stockinger.

In den USA ist diese Therapie mit Plasma seit Ende März zugelassen. Auch an der Klinik Innsbruck werden seit letzter Woche Patienten mit diesem Plasma von Genesenen behandelt. "Covid-19-Patienten mit Immunschwäche oder Vorerkrankungen können nicht schnell genug eigene Antikörper produzieren. Es gibt zwar noch kaum Möglichkeiten, diese Infektion effektiv zu behandeln, aber für diese Personen können die speziellen Antikörper lebensrettend sein", erklärt Harald Schennach, Vorstand der Blutbank an der Klinik Innsbruck.

Passiv immun

Diese Methode wird passive Immunisierung genannt, weil Patienten Antikörper von anderen bekommen und diese nicht selbst bilden müssen – wie etwa bei einer Impfung, bei der eine geringe und abgeschwächte Dosis des Erregers injiziert wird, woraufhin der Körper selbst Antikörper bildet. Wie lange der Immunschutz bei den behandelten Patienten anhält, ist unklar, ebenso, ob sie nach der Behandlung auch noch selbst Antikörper bilden können.

Die Vorgehensweise ist nicht neu und wurde in der Vergangenheit immer wieder während Krankheitsausbrüchen eingesetzt – etwa gegen Grippe-, Masern-, Mums-Epidemien, Ebola oder auch während der Sars-Pandemie 2002/2003. Zuverlässige wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit der Plasmatherapie bei Sars-CoV-2 belegen, gibt es bislang nicht. Eine Untersuchung an fünf schwer erkrankten Patienten in China, die mit Plasma behandelt wurden, hat bei den Probanden zu einer Verbesserung der Erkrankung geführt – ihr Fieber ist gesunken, die Viruslast zurückgegangen. Die Untersuchung fand jedoch ohne Kontrollgruppe statt. Es wäre also möglich, dass eine Erholung bei den Patienten auch ohne Plasmatherapie eingetreten wäre.

Nicht jedes Plasma

Dafür eingesetzt werden kann allerdings nur Plasma mit vielen neutralisierenden Antikörpern. Das sind jene Antikörper, die das Virus daran hindern, in Zellen einzudringen. Doch nicht alle Menschen, die an Covid-19 erkrankt sind, verfügen über diese neutralisierenden Antikörper – das hat ebenfalls die Untersuchung der Münchner Fallgruppe ergeben, wie Drosten erklärt. Manche Patienten verfügen auch nur über sogenannte nachweisbare Antikörper, "die das Virus nicht richtig stoppen können", wie der Virologe sagt. Dass diese Patienten ohne neutralisierende Antikörper wieder gesund werden, hat vermutlich damit zutun, dass hier die zelluläre Immunantwort zum Einsatz kommt – "da springen vermutlich zytotoxische T-Zellen im Immunsystem an, um das Virus zu eliminieren", so Drosten.

Daher müssen potenzielle Spender erst genau untersucht werden, bevor ihr Plasma als Therapie zum Einsatz kommen kann. Zudem gibt es auch Antikörper mit negativen Auswirkungen – das sogenannte Enhancement-Phänomen –, sie können eine Infektion unter Umständen sogar verstärken.

Mögliche Mutationen

"Natürlich gibt es Mutationen. Doch die Eigenschaft, sich stark zu verändern – wie das etwa das Influenzavirus tut –, ist bei Coronaviren sehr selten", sagt Stockinger. Wer schon einmal mit Sars-CoV-2 infiziert war, der wird bei einer späteren Infektion mit einer leichteren Mutation des Virus vermutlich dennoch durch die bereits gebildeten Antikörper geschützt sein – also womöglich an einem leichteren Verlauf erkranken, glaubt der Immunologe.

Ein ähnliches Muster kenne man auch von der Influenza: Wenn Geimpfte dennoch erkranken, weil die Impfung nicht vollständig gegen die grassierenden Stämme schützt, haben sie meist mildere Symptome. Außerdem sind viele Virusmutationen, anders als ihr Ruf vermuten lässt, neutral oder sogar schädlich für das Virus selbst – und nicht für den Infizierten. Eher liegt die Gefahr laut Stockinger in der Übertragung eines neuartigen Stammes vom Tier auf den Menschen, wie es ja wahrscheinlich auch bei Sars-CoV-2 in China passiert ist. (Bernadette Redl, 14.4.2020)