100 Tage nach der Angelobung gibt es ein Zwischenzeugnis für die Regierung – stark unter dem Eindruck des Corona-Krisenmanagements.

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Wien – Solche Werte hat es zuletzt in den 1990er-Jahren gegeben: In der besten Zeit von Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) hat mehr als jeder zweite Wahlberechtigte in Umfragen angegeben, den Amtsinhaber direkt wählen zu wollen, wenn man das denn könnte. In der Vorwoche ist Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erstmals in diese Größenordnung vorgestoßen: 52 Prozent der Wahlberechtigten würden ihm persönlich die Stimme geben.

Das geht aus der Umfrage des Linzer Market-Instituts zur Bilanz der ersten 100 Tage der Regierung Kurz II hervor. DER STANDARD ließ erheben, wer von den Parteichefs in einer Direktwahl zum Bundeskanzler gewählt würde – und Sebastian Kurz führt hier mit 52 Prozent. Sein bester Wert war bisher im Oktober vergangenen Jahres, etwa zwei Wochen nach dem ÖVP-Wahlsieg bei der Nationalratswahl. Die ÖVP hatte damals 37,5 Prozent erreicht – in der Market-Hochrechnung, die auf einer Kombination von zwei voneinander unabhängigen Befragungen mit insgesamt 1.800 Befragten basiert, kommt sie nun auf 44 Prozent.

ÖVP führt mit überdeutlichem Abstand

Wie bedeutend dieser erste Platz ist, zeigt sich im Vergleich zu den anderen Parteien. Die beiden nächstgrößten Parteien kommen zusammen nur auf 38 Prozent: Die Grünen als Juniorpartner der Regierungskoalition liegen ebenso bei 19 Prozent wie die SPÖ. Für die SPÖ bedeutet das einen Verlust von rund zwei Prozentpunkten, die Grünen aber legen rund fünf Prozentpunkte zu.

Gleichzeitig verlieren sowohl die FPÖ – von 16,2 Prozent auf elf Prozent – als auch die Neos, die gegenüber den 8,1 Prozent bei der Wahl im September zwei Prozentpunkte abgeben müssen.

Market-Wahlforscher David Pfarrhofer betont, dass die aktuellen Umfrageergebnisse widerspiegeln, dass ein guter Teil der ersten 100 Tage der aktuellen Bundesregierung von der besonderen Situation rund um die Corona-Krise geprägt war: "In den letzten Wochen hatten die Exponenten der Regierungsparteien mehr mediale Präsenz, als das eine Regierung im Normalbetrieb hätte. Da schaut es natürlich so aus, dass die Kanzlerpartei sich scheinbar auf die absolute Mehrheit hinbewegt. Aber das ist eine Momentaufnahme, man muss erst sehen, wie das Land aus der Krise herauskommt – und auch dann ist es ja noch lange hin bis zum regulären Wahltermin 2024. Da kann noch sehr viel passieren."

Kurz profitiert vom Vertrauen in seine Regierung

Unbestritten (und mit anderen Fragestellungen auch von anderen Meinungsforschern erhoben) ist das hohe Vertrauen, das der türkis-grünen Regierung momentan entgegengebracht wird. Jeder Zweite gibt der Regierung auf einer fünfstufigen Notenskala ein "Sehr gut" für die gesetzten Maßnahmen – nur drei Prozent stimmen den Maßnahmen ganz und gar nicht zu. Sieht man sich diese drei Prozent genauer an, dann entdeckt man, dass sich die Unzufriedenen in hohem Maß aus den Wählern der FPÖ und in etwas geringerem aus den Wählern der Neos zusammensetzen. Aus der SPÖ-Wählerschaft kommen sehr viele Zweier, aber auch noch etliche Einser und Dreier – aber kaum ein "Nicht genügend".

Und das Lob macht sich vor allem an Kanzler Kurz fest – "er wird vielfach mit der Regierung gleichgesetzt", kommentiert Pfarrhofer. Der grüne Vizekanzler Werner Kogler mache in den Augen der Bevölkerung zwar auch kaum etwas falsch, aber nur 28 Prozent geben ihm einen Einser, wenn es um die Frage geht, ob er sich in der Corona-Krise als kompetenter Politiker zeige. Die Durchschnittsbewertung zeigt den Abstand deutlich: Die Regierung bekommt insgesamt ein 1,82, der Bundeskanzler ist mit 1,97 recht nahe daran, der Vizekanzler mit 2,32 doch deutlich dahinter.

DER STANDARD ließ zur Kontrolle fragen, ob eine Regierung ohne die ÖVP oder ohne die Grünen die Sache besser machen würde – Fehlanzeige. Dass es ohne ÖVP und Grüne besser ginge, glauben nur relativ wenige Anhänger der roten und blauen Opposition.

Opposition leidet unter mangelnder Aufmerksamkeit

Und umgekehrt: Würde es eine Regierung mit SPÖ-Beteiligung besser machen? Das bekommt die Durchschnittsnote von 3,88. Dass eine Regierung mit Neos-Beteiligung es besser machen würde, erreicht eine Note von 4,08, eine Regierung mit FPÖ-Beteiligung wäre mit der Schulnote 4,33 klar negativ. Auch die Frage, ob sich die oppositionellen Spitzenpolitiker in der Corona-Krise als kompetent erwiesen haben, bringt diesen keine besonders guten Noten: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kommt auf die Note 3,47. knapp vor Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger mit 3,59 und weit vor FPÖ-Chef Norbert Hofer mit 4,12.

Entsprechend schlecht schneidet die Konkurrenz von Sebastian Kurz in der Kanzlerfrage ab: Während der Amtsinhaber von 52 Prozent direkt gewählt würde, wenn man den Bundeskanzler direkt wählen könnte, liegt Koalitionspartner Werner Kogler mit 13 Prozent auf dem zweiten Platz – Pamela Rendi-Wagner aber mit nur neun Prozent deutlich dahinter, gefolgt von Norbert Hofer (sieben Prozent) und Beate Meinl-Reisinger.

Die Neos seien in einer schwierigen Situation, sagt Pfarrhofer: Sie hätten derzeit wenig Möglichkeit, überhaupt wahrgenommen zu werden, das schlage sich in geringen Bekennerzahlen in Sonntags- und Kanzlerfrage nieder.

Vielen Regierungsmitgliedern fehlt es an Profil

Und wie steht es um die Regierungspolitiker? DER STANDARD hat für alle Minister ein Zeugnis erstellen lassen, wobei die Befragten wiederum Schulnoten von "Sehr gut" bis "Nicht genügend" vergeben konnten.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ist mit einem Notenschnitt von 1,79 sogar noch besser bewertet als Kanzler Kurz mit 1,87.
  • Die medial besonders präsenten Minister Werner Kogler (Grüne) und Karl Nehammer (ÖVP) folgen auf den weiteren Plätzen.
  • Die in der Krise ebenfalls in Schlüsselpositionen agierenden ÖVP-Minister Gernot Blümel (Finanzen), Heinz Faßmann (Bildung) und Margarete Schramböck (Wirtschaft) schaffen es aber nur ins Mittelfeld.
  • Schramböck sowie sechs weitere Regierungsmitglieder bekommen nicht einmal von jedem zehnten Befragten ein "Sehr gut".
  • Jeder Neunte gibt den Ministerinnen Elisabeth Köstinger und Klaudia Tanner (beide ÖVP) sogar ein "Nicht genügend".
  • Mehr als ein Viertel der Befragten kennt die Ministerinnen Leonore Gewessler (Innovation und Umwelt, Grüne), Susanne Raab (Frauen, ÖVP) und Christine Aschbacher (Arbeit, ÖVP) zu wenig, um sich überhaupt eine Benotung zuzutrauen. (Conrad Seidl, 13.4.2020)