In Zeiten von Covid-19 ein verdächtiges und eher unerwünschtes Verhalten: der Osterspaziergang.

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Im Jahr 1808 war noch alles eitel Wonne. Krankheiten würden durch Miasmen, also üble Düfte, oder den Körperkontakt mit Kranken übertragen, waren sich die meisten Ärzte sicher. Dass die eigentlichen Auslöser von Infektionen Bakterien und Viren sind, konnte Johann Wolfgang von Goethe daher nicht wissen, als er vor 212 Jahren seinen "Faust I" veröffentlichte und dem Osterspaziergang darin ein literarisches Denkmal setzte.

"Aus dem hohlen finstern Tor / dringt ein buntes Gewimmel hervor. / Jeder sonnt sich heute so gern. / Sie feiern die Auferstehung des Herrn", reimte der Geheime Legationsrat. In Zeiten von Covid-19 treten bei der Vorstellung eines festtäglichen Gewimmels in der freien Natur allerdings bei Epidemiologen, Behörden und Politikern Sorgenfalten und Angstschweiß auf.

Nicht verboten, aber auch nicht erwünscht

Verboten ist das Flanieren heuer zwar nicht, solange der Sicherheitsabstand eingehalten wird. Die von der Bundesregierung verbreitete Botschaft lautet dennoch, heuer auf die Tradition zu verzichten.

Aber woher stammt der Brauch, zum Zeitpunkt des im Neuen Testament beschriebenen Wiedererscheinens des Jesus von Nazareth nach dessen Kreuzigung die eigenen vier Wände temporär zu verlassen, um durch die Landschaft zu stapfen?

Eine klare Antwort gibt es darauf leider nicht. Einerseits spielt wohl die Religion eine Rolle. Im Lukasevangelium wird von zwei Jüngern Jesu berichtet, die nach dessen Hinrichtung niedergeschlagen von Jerusalem in die Stadt Emmaus wandern. Auf dem Weg treffen sie einen Fremden, der sich erst nach der Ankunft als Jesus zu erkennen gibt – worauf das Duo nach Jerusalem zurückeilt.

Österlicher Aufmarsch als Tarnung

Prozessionen und Aufmärsche an christlichen Feiertagen waren durchaus üblich – Ostern 1916 nutzte die dabei gegründete Irish Republican Army in Dublin die Feierlichkeiten, um ihren erfolglosen Aufstand gegen die britischen Besatzer vorzubereiten.

Ein anderer Entwicklungsstrang für den Osterspaziergang führt in den Bauernstand. Die Flurbegehung, um auf den Feldern die Saat und etwaigen Schädlingsbefall zu kontrollieren, könnte für das Bürgertum durchaus Inspiration gewesen sein. Im Weinviertel gingen und gehen Winzer am Ostermontag "in die Grean", also ins Grüne. Und zwar in die Kellergassen, um mit ihren Helfern den neuen Jahrgang zu verkosten. Dabei – frei nach Goethe – Mensch zu sein und sein zu dürfen wird Ostern 2020 aber schwierig. (Michael Möseneder, 11.4.2020)