Fadesse und Dichtkunst eine brandgefährliche Kombination.

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Unter dem Stichwort "82 Tipps gegen Langeweile" findet man im Internet nicht nur Ratschläge wie "Leihe dir einen Hund im Tierheim und gehe mit ihm spazieren" oder: "Lerne, mit Geld umzugehen". Neben Sonnenbaden, Yoga, Kochen oder der japanischen Kulturtechnik des Ausmistens sind vor allem die Anregungen "Persönlichkeit entwickeln" und "Glücklich werden" auch von zu Hause aus leicht zu bewerkstelligen.

Sobald meine Partnerin nach vier Wochen im Lockdown wieder mit mir spricht, werde ich als stark entwickelte Persönlichkeit ihr ein geflügeltes Wort von Heinrich Heine zukommen lassen: "Das Glück ist eine leichte Dirne / Und weilt nicht gern am selben Ort / Sie streicht das Haar dir aus der Stirne / Und küsst dich rasch und flattert fort / Frau Unglück hat im Gegenteile / Dich liebefest ans Herz gedrückt / Sie sagt, sie habe keine Eile / Setzt sich zu dir ans Bett und strickt."

Hoffentlich wird es von tieffliegenden Watschen aus der Zimmerflak nicht vorzeitig abgeschossen.

Isolationserfahrungen und Einsamkeitsstudien

Apropos geflügeltes Wort. Das Kapitel "Etwas Sinnvolles fürs Leben tun" beinhaltet auch den Punkt "Schreibe ein Buch". Davon rate ich dringend ab. Spätestens nächstes Jahr werden uns ganze Heerscharen von Mittelschullehrern mit ihren Isolationserfahrungen und Einsamkeitsstudien aus dieser größten Krise, seit sie in Österreich einmal die großen Sommerferien verkürzen wollten, überschwemmen. Die beim englischen Adel während des 18. und 19. Jahrhunderts als Statussymbol in seinen Landschaftsparks gern gehaltenen Schmuck- oder Ziereremiten werden wieder Saison haben. Askese und Bescheidenheit, die innerliche Einkehr werden Trendsportarten werden. Niemand aber wird das lesen wollen.

Während die anderen Menschen nun die wiedereröffneten Bau- und Gartenmärkte stürmen, um den künftigen Eremiten mit Kletterrose, Hibiskus oder Fetthenne, Immergrün und Zwergliguster eine angenehme Umgebung zu schaffen, sparen wir lieber unser Geld. Die jetzt in der Not angehäuften Groschen müssen dereinst allesamt ins Wirtshaus getragen werden. Oder wie es einst ein bedeutender Nationalökonom auf den Punkt brachte: Wenn es uns gutgeht, sitzen wir in der Wirtschaft. (Christian Schachinger, 15. 4. 2020)