Dienstag war ein guter Tag. Trotz überschaubaren Kundenandrangs sahen zumindest kleinere Geschäfte, Baumärkte oder Gartencenter wieder einen Hauch von Normalität. Viele Betriebe dürfen endlich wieder ihre Ware feilbieten, Mitarbeiter ihre Kollegen und alte wie neue Käufer begrüßen.

Doch der Hoffnungsschimmer wird neuerlich von düsteren Wolken verdeckt, die zuletzt recht häufig den Himmel verdunkelt haben. Es ist das rechtsstaatliche Fundament, das zusehends durch die Corona-Bekämpfung ins Wanken gerät. Arbeitet die Verwaltung – etwa die Polizei – noch verfassungskonform, wenn weitgehende Befugnisse auf Basis von Erlässen und Verordnungen eingeräumt werden, die von Gesetzen nicht ausreichend gedeckt sind? Sind in die Grundrechte eingreifende Maßnahmen sachlich begründet und verhältnismäßig?

Viele Betriebe dürfen seit Dienstag wieder ihre Ware feilbieten.
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Mit der "Auferstehung" der Wirtschaft wurden recht seltsame Unterscheidungen getroffen. Die Grundregel für den Handel – außer für Supermärkte und Drogerien, die bisher schon öffnen durften – lautet: Aufsperren können nur Geschäfte mit weniger als 400 Quadratmetern. Ein recht seltsamer Zugang, denn aus Sicht des Gesundheitsschutzes spricht wenig bis nichts für eine Bevorzugung kleinerer Läden. Die Differenzierung ist umso angreifbarer, als mit einer Obergrenze für Kunden je Quadratmeter ohnehin eine Limitierung der Frequenz in den Geschäften verfügt wurde.

Grundregeln

Die Frage ist nicht ganz unerheblich, denn ein Teil des Umsatzes ist für die flächenmäßig größeren Anbieter perdu, wenn die gesuchte Bekleidung oder Couch beim kleineren Outlet gefunden wurde. Selbst wenn nun das Argument kommen sollte, dass die Großen es sich eher leisten könnten als die Kleinen, noch etwas auszuharren: Die Missachtung von Prinzipien wie Erwerbsfreiheit und Gleichheitsgrundsatz wird dadurch in keiner Weise legitimiert.

Derartige Fehltritte haben mittlerweile Tradition und können mit der Dringlichkeit der Corona-Bekämpfung nicht begründet werden. Es geht nicht nur um das hohe Gut des Gesundheitsschutzes, sondern auch um die Grundregeln staatlicher Eingriffe in die Freiheit der Menschen. Dass diese umfassend und rigoros erfolgen, ist nahezu unbestritten. Dass in der Eile Fehler passieren, erscheint verständlich. Dass sich jedoch Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit wie ein roter Faden durch die Covid-19-Maßnahmen ziehen – von der Aushebelung der Entschädigungen bis zu den gesetzlich ungedeckten Betretungsverboten –, sollte in einer Demokratie nicht achselzuckend zur Kenntnis genommen werden. Denn die nun gelebte Willkür kann rasch zur Gewohnheit werden.

Die ist längst in der Exekutive durchgesickert, die – zumindest in Einzelfällen – ihre Handlungsvollmacht zusehends mehr aus Pressekonferenzen denn aus konkreten Bestimmungen abzuleiten scheint. Strafen für das Sitzen auf der Parkbank sollten ein Alarmzeichen sein. Mit Füßen getretene Grundrechte nicht minder. (Andreas Schnauder, 14.4.2020)