Wien – Die Corona-Pandemie hat positive Auswirkungen auf die Luftqualität, wie jüngste Untersuchungen ergaben. So ist in Deutschland die Schadstoffbelastung in den vergangenen Wochen deutlich zurückgegangen. Wie die Auswertung von Daten des europäischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinal-5P zeigte, sind in der Atmosphäre über Mitteleuropa seit Anfang April weniger extreme Stickstoffdioxid-Werte gemessen worden. Stickstoffdioxid wird vor allem von Dieselfahrzeugen und der Industrie ausgestoßen. Wegen der Corona-Krise haben viele Unternehmen ihre Produktion heruntergefahren und ihre Arbeitnehmer gebeten, von zu Hause aus zu arbeiten.

Deutliche Verbesserung in Südeuropa

Über deutschen Ballungsräumen sind demnach auf den Satellitenbildern kaum noch große Schadstoffwolken zu sehen. Der Direktor für Erdbeobachtungsprogramme bei der europäischen Weltraumbehörde ESA, Josef Aschbacher, sagte, dass der Rückgang der Stickstoffdioxidbelastung etwa beim Ruhrgebiet sowie an der Grenze zu Belgien und den Niederlanden zu sehen sei. Noch deutlicher sei der Rückgang in südeuropäischen Metropolen erkennbar. So habe man in Barcelona eine Reduktion von 65 Prozent gemessen.

Das Beispiel Italien zeigt: Die Corona-Krise reduziert ganz besonders im Süden Europas die Luftverschmutzung.
Foto: ESA

Auch die Messdaten des Innsbrucker Atmosphärenphysiklabors der Leopold Franzens Universität zeigen, dass die Stickoxidwerte in der zweiten März-Hälfte rund um Innsbruck deutlich zurückgegangen sind, wie die Universität am Mittwoch mitteilt.

Rasche Reduktion

Luftschadstoffe verweilen sehr viel kürzer in der Atmosphäre als das langlebige Kohlendioxid. Sinken die Emissionen zum Beispiel durch den Rückgang des Verkehrs, gehe auch die Konzentration der Schadstoffe in der Luft sehr rasch zurück. "Die tageszeitlichen Verläufe der Stickstoffdioxid-Konzentration am Boden und in der gesamten Talatmosphäre rund um Innsbruck zeigen in der zweiten März-Hälfte eine deutliche Reduktion, die über die natürlich zu erwartende Variabilität durch das Wetter hinausgeht", erläuterte der Atmosphärenforscher Thomas Karl.

"Dieses globale Interventionsexperiment könnte in Zukunft helfen, die tatsächlichen Auswirkungen von Verkehrsbeschränkungen auf die Verteilung von Luftschadstoffen und auf die Emissionsmenge von Klimagasen besser beurteilen und quantifizieren zu können", so Karl. Die Universität Innsbruck betreibe seit 2018 kontinuierlich urbane meteorologische und atmosphärenchemische Beobachtungssysteme.

Kaum Auswirkungen auf Klimawandel

Während die Luftqualität besser wird, nutzen die Folgen der Corona-Krise dem Klima langfristig nicht. Das Wegener Center der Universität Graz und das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) warnen daher davor, in der Corona-Krise den Klimawandel aus den Augen zu verlieren. Zwar könne der "Lockdown" die unmittelbare Treibhausbilanz verbessern. "Aber auf die globale Erwärmung haben solche nur kurzfristigen Einsparungen praktisch keine Auswirkungen", heißt es in einem gemeinsam verfassten Papier.

Der Politik empfehlen die vier Autorinnen und Autoren – Angela Köppl und Margit Schratzenstaller vom Wifo sowie Stefan Schleicher und Karl Steininger vom Wegener Center – an der geplanten Ökologisierung des Steuersystems festzuhalten und den Klimaschutz sowohl bei den aktuellen Hilfsmaßnahmen als auch nach der Krise mitzudenken. So könnte Krisenhilfe für die Auto- und Luftfahrtbranche an die Vorgabe geknüpft werden, die Emissionsbilanz der jeweiligen Flotten zu verbessern.

Als warnendes Beispiel sehen die Autoren die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09. Diese hatte nämlich zwar ebenfalls einen kurzfristigen Rückgang der Treibhausgase zur Folge. Schon 2010 waren die Emissionen aber wieder auf den Wert des mittelfristigen Trends zurückgekehrt. Und durch die unsystematische Einführung von Ökosteuern zur Budgetsanierung sei die Akzeptanz für ökologische Steuerreformen in Europa eher gesunken als gestiegen.

Zwei Ziele

In der aktuellen Krise plädieren das Wifo und das auf Klimafragen spezialisierte Wegener Center daher für Regeln, die die Verwendung von öffentlichen Mitteln an den zwei Zielen ausrichten: an der Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft und an der Bekämpfung des Klimawandels.

An diesen Zielen sollen sowohl die nach der Krise nötigen Konjunkturpakete als auch kommende Steuerreformen und Konsolidierungspakete ausgerichtet werden. Als Beispiele genannt werden Investitionen in öffentlichen Verkehr und in die Weiterbildung und Qualifikation von Arbeitskräften. Festhalten würden die Autoren an der Ökologisierung des Steuersystems und der Bepreisung des CO2-Ausstoßes – und zwar ausdrücklich auch dann, wenn das Branchen treffen würde, die bereits unter "Corona" zu leiden hatten. (red, APA, 15.4.2020)