Viele Aficionados dürften in den vergangenen Wochen zu der davor nicht für möglich gehaltenen Erkenntnis gekommen sein, dass man auch leben kann, ohne Sport zu schauen. Wenngleich es viele und so auch Franz Klammer vermissen. Das ersatzweise Konsumieren aus der Konserve reizt den Abfahrtsolympiasieger von Innsbruck 1976 nicht sonderlich. Leben ohne Sport zu betreiben ist zwar grundsätzlich möglich, für der 66-Jährigen war das aber nie eine Option. "Sport ist ein Geschenk", sagt Klammer. Seine Karriere sei die schönste Zeit seines Lebens, ungemein wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung und vieles mehr gewesen, so der Wahlwiener. Es sei wichtig, dass junge Menschen ein Ziel vor Augen haben.

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Redford in der Hauptrolle

Vor den Augen kann man auch die Glotze haben und man könnte sich etwa den Film "Downhill Racer" von Michael Ritchie aus dem Jahr 1969 zu Gemüte führen. Das tat auch Klammer, zwar nicht mit 16, als der Film in die Kinos kam, sondern als er längst ein erfolgreicher Abfahrer war. Der Streifen mit dem damals noch relativ unbekannten Robert Redford in der Hauptrolle, Gene Hackman als Trainer und Sylvester Stallone als Statist, diente Klammer daher "nicht wirklich als Inspiration."

Arroganz vs. Bescheidenheit

Der unter anderem auf der Streif in Kitzbühel gedrehte Film handelt von der Karriere des äußerst ambitionierten und durchaus auch erfolgreichen US-Amerikaner David Chappellet (Redford), dessen arrogantes Gehabe allerdings nicht nur für Disharmonie im Team sorgt, sondern sich auch in seinem zweigleisigen Privatleben widerspiegelt. Während Chappellets fiktive Karriere auch ohne elterliche Unterstützung zur Erfolgsgeschichte mutiert – nach Ansicht seines Vaters verschwende er mit dem Skirennsport sein Leben, – konnte Klammer stets auf seine Eltern bauen. "Ich hatte jede Unterstützung der Eltern, nur hatten wir kein Geld. Sie haben mir das letzte Hemd gegeben." Für ein einwöchiges Trainingscamp bekam Klammer von der Mutter fünf Schilling mit. "Damit habe ich mir zwei Almdudler kaufen können. "

Klammer wurde von seinen Eltern nach Möglichkeit unterstützt: "Sie haben mir das letzte Hemd gegeben."
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Teamspirit vs. Einzelkämpfer

Für Klammer wäre auch das egozentrische Verhalten Chappellets keine Option gewesen. Für ihn war gute Stimmung im Team essenziell. "Man pusht sich, stachelt sich gegenseitig an." Runterfahren müsse man allein, "aber wenn die Stimmung im Team nicht passt, ist es sehr schwierig, erfolgreich zu sein", sagt er. Bei ihnen sei damals jedenfalls der Schmäh g'rennt. Ein Desaster wäre gewesen, wenn man etwa beim Sommertrainingslager in Übersee drei Wochen eingeschneit gewesen wäre und es keine Harmonie im Team gegeben hätte. "

Von kleinen Trainingsgruppen oder gar Alleingängen, wie sie Marcel Hirscher praktizierte, ist Klammer "nicht ganz so überzeugt. Wir waren 25 Leute in der Abfahrt, vom C-Kader bis zum A-Kader und es hat funktioniert." Wichtig sei ein homogenes Team, die Vermeidung von Splittergruppen und dass man sich auch über die Erfolge der anderen freuen kann.

Klammer auf seiner Fahrt zu Olympia-Gold 1976 in Innsbruck.
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Die reinste Freude hatten die Zuschauer mit Klammer. Seine rudernden Armbewegungen waren legendär. Er versichert, dass überhaupt keine Show dabei war. "Um einen Nichtscarvinski zum Carven zu bringen, damit er auf Zug bleibt, musste ich rudern. Das war mein Fahrstil und der hat den Leuten ganz gut gefallen."

Film als Köder

Zu einem wirklichen Hit avancierte Downhill Racer nicht, allein mit den Einnahmen aus Amerika wurde das Budget von 1,8 Millionen Dollar aber immerhin knapp übertroffen. Für die Produktionsfirma Paramount war der Streifen auch insofern ein Gewinn, weil man damit den glühenden Ski-Fan Roman Polanski gewinnen konnte, für den Horrorfilm Rosemary's Baby Regie zu führen.

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Robert Redford schaffte mit Downhill Racer nicht unmittelbar den Durchbruch, hernach aber ging es in seiner Karriere steil bergauf.
Foto: Everett Collection / picturedesk.com

Die Kritiken fielen durchwegs positiv aus. Der Film wurde für die ästhetische Schönheit gleichermaßen gelobt wie für die Beschreibung der brutalen Wettkampfrealität. Klammers Geschmack hat der Film aber nicht ganz getroffen. Auf einer Skala von eins bis zehn verleiht er eine Fünf. "Bissl langatmig, zu wenig Action. Wenn ich "Hell of a Ride" sehe, dann ist das nicht zu vergleichen, da ist beim Zuschauen schon mehr Adrenalin drin."

Tombas Trick

Würze im Leben hatten Klammer und Kollegen. Nach dem Motto "Alles zu seiner Zeit" wurde ab und an auch gefeiert. Natürlich nicht vor den Rennen, das wäre kontraproduktiv gewesen, sehr wohl aber hernach. "Das gehört genauso dazu, wie das Trainieren und das Asketischsein." Man müsse auch mal komplett loslassen, die Batterien aufladen, wenn man die ganze Woche angespannt sei. Und das Feiern sollte auch mit dem Leben als Spitzensportler vereinbar sein. Alberto Tomba etwa, erzählt Klammer, hatte einen guten Trick: "Er ist um 20 Uhr ins Bett gegangen, um Mitternacht wieder aufgestanden, geschwind eine Stunde lang durch die Bars gezogen und dann wieder ins Bett. Man sollte glauben, dass er so spät noch unterwegs ist. So hat er die Gegner getäuscht."

Alternativprogramm

Aber das ist Schnee von gestern. Aktuell genießt Klammer, mehr Zeit für sich zu haben. "Ich bin ja immer sehr viel unterwegs." Mit seiner Stiftung unterstützt er verletzte Sportler. Als Mitglied der Laureus-Academy sei es ihm ein Anliegen, das Leben von unterprivilegierten Kindern zu verbessern. "Ich versuche das, was mir der Sport gegeben hat, an Kinder weiterzugeben." Nun aber räumt er vorerst einmal im Haus herum, macht den Garten, geht Mountainbiken. Abends schaut er nun öfter mit seiner Frau in die Kiste. Auf der Suche nach beide gleichermaßen zufriedenstellendem Programm sind die Klammers auf die Serie "The Blacklist" gestoßen. "Das ist spannend." (Thomas Hirner, 17.4.2020)