Corona hat die Kindergärten geleert – abgewiesen werden darf jedoch laut Experten kein Kind, dessen Eltern arbeiten.
Foto: St. Nikolausstiftung

Die kleinen Kinder bei Laune halten, für die größeren den Privatlehrer spielen und gleichzeitig den Brotberuf ausüben: Viele Eltern fragen sich, wie sie das in der Corona-Krise gewünschte Homeoffice-Kunststück hinkriegen sollen. Die Antworten der Politiker sind für juristisch ungeschulte Menschen nicht eindeutig. Einerseits hat die Regierung den regulären Betrieb von Kindergärten und Schulen stillgelegt, damit möglichst viele Kinder daheimbleiben. Andererseits stehen dieselben Institutionen im Notmodus für jene offen, die sich nicht anders zu helfen wissen.

So manche Familie wollte dieses Angebot annehmen – und ist abgeblitzt. "Verzweifelte Eltern", erzählt Arbeiterkammerdirektor Christoph Klein, hätten sich dieser Tage bei der hauseigenen Corona-Hotline gemeldet. Väter und Mütter berichteten davon, wie Kindergärten das Ansuchen auf Aufnahme der Kinder abgelehnt hätten, obwohl sie selbst arbeiten müssten. Begründung für das Nein: Weil die Eltern keinen systemrelevanten Beruf ausübten, bestehe in der Krise auch kein Anspruch auf Betreuung. Mails an den STANDARD zeugen von ähnlichen Vorfällen.

Missverständnis

"Die Verweigerung ist rechtlich nicht gedeckt", sagt Klein und glaubt an eine Fehlinterpretation durch die Kindergartenbetreiber. Erklärung: Der geltende Erlass des Gesundheitsministeriums gewährt Eltern, die "beruflich unabkömmlich" sind, Betreuung außer Haus und zählt in der der Folge bestimmte Gruppen wie Ärzte, Pfleger, aber auch Alleinerzieher auf, die "jedenfalls" Anrecht hätten. Dies sei aber beispielhaft und nicht ausschließlich zu verstehen, urteilt Klein und hält die Rechtslage für eindeutig: "Schulen und Kindergärten müssen für die Kinder aller berufstätigen Eltern offenstehen."

Nichts anderes gelte, wenn diese im Homeoffice arbeiten. Auch da wurde Familien Gegenteiliges suggeriert: Die Stadt Wien etwa hält in einer Information fest, dass die Kindergärten und Horte grundsätzlich dann Betreuung gewähren, "wenn deren Eltern ihre berufliche Tätigkeit nicht von zu Hause aus erledigen können". Diese Einschränkung sei rechtlich ebenfalls unzulässig, sagt Klein.

Starker sozialer Druck

Handelt es sich dabei bloß um die Einzelmeinung einer Interessenvertretung? Martin Risak, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien, schließt sich dem Urteil der Arbeiterkammer an. Die Verwirrung sei nachvollziehbar, weil die Regierung unklar kommuniziere, sagt Risak, doch letztlich sei daran nicht zu rütteln: "Wenn die Eltern berufliche Verpflichtungen haben, dürfen Schulen und Kindergärten die Betreuung nicht verweigern. Andernfalls müsste es einen Anspruch auf Dienstfreistellung durch den Arbeitgeber geben. Aber eine diesbezügliche Klarheit existiert nicht."

Aus dem zuständigen Gesundheitsministerium kommt kein Widerspruch: Die Einschätzung der Kammer decke sich mit der eigenen Rechtsauffassung, heißt es aus dem Büro von Ressortchef Rudolf Anschober (Grüne) auf Anfrage des STANDARD.

Wie können sich berufstätige Eltern wehren, wenn sich Kindergärten trotzdem weigern? Die Arbeiterkammer hofft auf eine Klarstellung der Bundesregierung, außerdem bietet sie Betroffenen an, bei der jeweiligen Einrichtung zu intervenieren. "Doch das Problem ist, dass sich die Eltern fürchten", sagt Klein: "Da wird starker sozialer Druck ausgeübt, dass die Kinder zu Hause gelassen werden." (Gerald John, 16.4.2020)