Im Gastkommentar skizzieren Angela Köppl, Margit Schratzenstaller, Stefan Schleicher und Karl Steininger, Ökonominnen und Ökonomen von Wifo und Wegener Center, vier Handlungsfelder auf nationaler und EU-Ebene.

Die globale Wirtschaft geht auf die schwerste Krise seit der Depression in den 1920er-Jahren zu. Damit verbunden ist auch erstmals ein deutlicher Rückgang bei den klimaschädigenden Treibhausgasemissionen. Allerdings wird, ebenso wie in den Krisen davor, dieser Rückgang in Österreich wie weltweit vorübergehend bleiben, wenn nicht strukturelle Maßnahmen zur dauerhaften Emissionsreduktion gesetzt werden. Jeweils vier Handlungsfelder sind auf nationaler Ebene und auf EU-Ebene von besonderer Bedeutung.

Ein erstes Handlungsfeld, dem die nationalen Regierungen derzeit besonderes Augenmerk widmen, sind die Soforthilfemaßnahmen, die die negativen ökonomischen und sozialen Folgen des Lockdown abfedern sollen. Hier ist darauf zu achten, dass sie langfristige Ziele, wie den Klimaschutz, nicht konterkarieren, etwa durch bedingungslose Finanzhilfen für die Luftfahrtindustrie.

Mit dem in vielen Ländern allmählich einsetzenden Wiederhochfahren der eingefrorenen Wirtschaft werden Konjunkturprogramme zur Stabilisierung der Wirtschaftserholung als zweites Handlungsfeld notwendig. Zunächst sind Ausgaben für Projekte zu vermeiden, die zwar Wachstums- und Beschäftigungseffekte haben, gleichzeitig aber emissionsintensiv sind: Nicht nur weil sie ökologisch, sondern auch weil sie budgetär kontraproduktiv sind, etwa wenn Strafzahlungen anfallen. Der Schwerpunkt von Konjunkturpaketen hätte vielmehr auf Ausgabenerhöhungen und Steuersenkungen zu ruhen, die durch ein breites Spektrum an Innovationen die Widerstandsfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft stärken.

Resilienz fördern

Ausgabenseitig bieten sich Investitionen für eine klimaneutrale Infrastruktur in den Bereichen Gebäude, Mobilität und Energiebereitstellung an. Resilienzfördernde Steuerentlastungen könnten Anreize für intensive Forschung und Entwicklung setzen und Demonstrationsprojekte für neue Konzepte bei Gebäuden und Mobilität umfassen. Besondere Aufmerksamkeit brauchen die energieintensiven Branchen, wie Stahl und Zement, um ihre Rolle bei der Erreichung des Ziels der Klimaneutralität zu finden. Klimabewusste Konjunkturpakete sollten dagegen keine generelle Senkung von Umweltsteuern oder eine Ausweitung klimaschädlicher Steuerausnahmen beinhalten.

Wie lassen sich Emissionen dauerhaft reduzieren? Die Corona-Krise gibt darauf noch keine Antwort.
Foto: Jan Hübner

Drittens ist an zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft erforderlichen und bereits vor Ausbruch der Krise geplanten Maßnahmen festzuhalten. Die im Regierungsprogramm vorgesehenen Investitionen für Mobilität und eine zielorientierte Umgestaltung des Energiesystems wären sinnvolle Elemente eines Konjunkturprogramms. Die Ökologisierung des Steuersystems ab 2021 sollte wie geplant umgesetzt werden. Auch wenn die Ökologisierung der Pendlerpauschale oder die Erhöhung von Normverbrauchs- und Flugabgabe bestimmte Sektoren besonders belasten. Ebenso wie die Einführung einer CO2-Bepreisung setzen diese Maßnahmen Preissignale, die eine nachhaltige Entwicklung zusätzlich zu einem zukunftsorientierten Konjunkturpaket unterstützen.

Weitere Green Bonds

Das vierte Handlungsfeld sind die nach der Überwindung der Corona-Krise anstehenden Konsolidierungsmaßnahmen. Steuerliche Ökologisierungsmaßnahmen können kurzfristig zur Budgetsanierung herangezogen werden, auch weil sie im Vergleich zu anderen Steuererhöhungen relativ wachstumsfreundlich sind. Allerdings sollte sich die Regierung dazu verpflichten, die zusätzlichen Einnahmen nur vorübergehend zur Budgetsanierung zu verwenden und sie mittelfristig über Transfers oder Abgabenentlastungen wieder an Haushalte und Unternehmen zurückzugeben. Ausgabenseitige Konsolidierungsmaßnahmen sollten auf für die Krisenfestigkeit besonders relevante Bereiche achten, wie Gesundheitswesen und Umweltschutz.

Auf EU-Ebene sind es ebenfalls vier Handlungsfelder, die nationale Ansätze zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit ergänzen können. Erstens sollte an der Umsetzung des europäischen Green Deal festgehalten werden, der wichtige ökologische und ökonomische Impulse zur Unterstützung nationaler Konjunkturpakete liefern kann. Zweitens wäre bei der laufenden Evaluierung der Fiskalregeln die Sinnhaftigkeit einer grünen goldenen Investitionsregel zu überprüfen, die Ausnahmen für öffentliche Investitionen in die Klimaneutralität erlaubt. Drittens wären Ansatzpunkte im EU-Budget für dieses Ziel zu stärken. Und viertens könnten Green-Finance-Aspekte einen größeren Beitrag liefern – etwa durch die Forcierung von weiteren Green Bonds durch die Europäische Investitionsbank oder deren Bevorzugung in der Ankaufsstrategie der Europäischen Zentralbank.

Die Verwundbarkeit unseres komplexen und global vernetzten Wirtschaftssystems wird uns soeben schmerzhaft vor Augen geführt. Dieses erhöhte Bewusstsein gilt es nun auch in der Klimapolitik auf nationaler und europäischer Ebene zu nutzen. Denn nicht nur die Corona-Pandemie, sondern auch die Klimakrise erfordert einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Neustart. (Angela Köppl, Margit Schratzenstaller, Stefan Schleicher, Karl Steininger, 17.4.2020)