Radprofi Emanuel Buchmann war durchaus zwiegespalten, als ihn die Botschaft der Verschiebung erreichte. "Einerseits ist es gut, nun zu wissen, worauf man sich einstellen muss – andererseits ist der Weg bis zur Tour de France allerdings nun noch weiter als gedacht", sagte die große deutsche Hoffnung für die 107. Rundfahrt: "Mental wird das eine Herausforderung."
Wie Buchmann geht es auch dem Gros der Kollegen: Dass die Tour aufgrund der Corona-Pandemie nun zwei Monate später als geplant vom 29. August bis zum 20. September rollen soll, wird vordergründig als gute Nachricht gewertet. "Das ist etwas Licht am Ende des Tunnels", sagte der viermalige Gewinner Chris Froome. Olympia-Sieger Greg Van Avermaet quittierte erleichtert, dass "wir Fahrer jetzt ein paar Termine im Kopf haben können".
Gleichwohl hängen sie weiter in der Luft: Niemand weiß, wann und ob es wirklich losgeht, Buchmann trainiert quasi im luftleeren Raum. "Ich versuche, ruhig zu bleiben, mein Training durchzuziehen", sagte der 27-Jährige: "Entscheidend wird sein, wann überhaupt wieder Rennen stattfinden. Vielleicht ist im Juni schon ein Höhentrainingslager möglich."
Warnung
Vielleicht – das ist das zentrale Wort im Radsport. Die Tour-Verschiebung wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Zumal Gesundheitsexperten geradezu entsetzt auf die Pläne reagieren, zeitnah eine Riesenrundfahrt mit rund zehn Millionen Zuschauern zu veranstalten. "Menschen aus aller Welt auf einem Haufen, die von Stadt zu Stadt reisen, da kann ein Virus gedeihen, das könnte ein Rezept für eine Katastrophe sein", sagte Devi Sridhar, eine der prominentesten britischen Corona-Bekämpferinnen. "Das Klügste wäre, komplett abzusagen."
Ohnehin wirkt der Plan des Weltverbandes UCI, ab Ende August bis fast in den Winter eine nahezu komplette Saison durchzupeitschen, irrwitzig. Was lässt also die Organisatoren der großen Schleife träumen? "Es wäre ein Leuchtfeuer, von dem wir in die Zukunft blicken und sagen: Ja, wir werden das durchstehen", sagte Tour-Chef Christian Prudhomme. Die wahren Gründe sind weniger romantisch. "Es ist sehr simpel", so Marc Madiot, Chef der Top-Équipe Groupama-FDJ: "Fällt die Tour aus, könnten Teams verschwinden, Fahrer und Mitarbeiter werden ohne Job sein." (sid, 17.4.2020)