Abstand halten, soziale Distanz, fällt schon Erwachsenen sehr schwer. Für Kinder, jüngere Schulkinder aber ist sie laut Experten so gut wie nicht machbar.

Foto: APA/Schneider

Es ist Corona-Woche fünf, inklusive Osterferien, die die Schülerinnen und Schüler fast ausschließlich daheim verbringen mussten – mit ihren Eltern, ohne ihre Lehrer, Schulkollegen und Freunde. Homeschooling ist angesagt. Viele sind an Grenzen gestoßen: lernpsychologische, technische, familiäre. "Langsam brauchen wir wieder normale Schule", fasst der Bildungsforscher Günter Haider von der Universität Salzburg im STANDARD-Gespräch das täglich wachsende Problemkonglomerat zusammen.

Wie aber soll das neue "normal" aussehen? Wann wird die von der Regierung propagierte "neue Normalität" anfangen? Das Bildungsministerium verweist auf Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wonach erst Ende April entschieden werde, ob und in welcher Form die für Mitte Mai geplante schrittweise Öffnung der Schulen komme.

Lernen in Gruppen? Tageweise?

Aber natürlich wird im Ministerium an Wiedereinstiegsszenarien gearbeitet – unter der Grundvoraussetzung: "Wenn es die Umstände zulassen." Oberste Maxime wird "Verdünnung" sein – also die Umlegung des Abstandhaltens auf den Schulalltag. Wie das konkret aussehen wird, ist offen. Denkbar sind Vormittags- und Nachmittagsgruppen oder tageweise abwechselnder Schulbesuch. Nur ist eines allen Experten klar: Zweieinhalb Monate bis zum regulären Ende des Schuljahrs sind aus pädagogischer Sicht zu viel, um sie ohne ein wieder systematischeres Bildungsangebot zu verplempern.

Allerdings bleibt auch für den Fall einer politischen Öffnung der Schulen eine unberechenbare Variable, nämlich ob die Eltern ihre Kinder überhaupt in die Schule schicken oder das wegen diffuser Ängste vor Corona verweigern.

Der Bildungsexperte Haider versteht die Komplexität einer Entscheidung dieser Tragweite: "Nur irgendwann müssen Medizin und Politik sagen: Es ist vertretbar." Davor gelte es viele Aspekte abzuwägen. Vor allem bei jüngeren Kindern sei man mit fortlaufender Krisendauer "an der Grenze", warnt er: "Kinder brauchen in diesem Alter viel mehr das Soziale, das gemeinsame Spielen. Und natürlich sind viele Familien auch schon Unruhestand."

Kinder brauchen Kontakt

Zugleich betont er: "Jeder, der mit kleinen Kindern zu tun hat, weiß: Wenn man sie wieder in die Schulen lässt, bringt das Rudelbildung. Es ist unmöglich, kleine Kinder zum Social Distancing zu bewegen." Eine Sichtweise, die auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger am Donnerstag äußerte: "Kleine Kinder sollen nicht Distanz halten. Sie brauchen soziale Kontakte, Körperkontakt, Spielen." Sie würde die Schulen Mitte Mai öffnen, beginnend mit den Jüngeren. Auch die Einschätzung der älteren Schüler teilt sie mit Haider: Er meint, diese könnten, unterstützt durch halbierte Klassen oder turnusartig organisierten Unterricht, Abstands- und Hygieneregeln verlässlich umsetzen.

Das alles plus besondere Aufmerksamkeit vor allem für ältere Lehrer, die vielleicht zur Risikogruppe gehören, müsse bei der "neuen Normalität" in den Schulen bedacht werden, betont Haider.

Kein Sitzenbleiben im Corona-Jahr?

Das Thema Zeugnis im Corona-Schuljahr würde er – wie auch von SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid gefordert – durch einen Verzicht auf Sitzenbleiben entschärfen. Die Noten sollten aus dem Halbjahreszeugnis und Lehrerurteilen gebildet werden. In Abschlussklassen und Volksschulen, wo weniger als ein Prozent betroffen ist, sei Sitzenbleiben "sowieso fast kein Thema", und für besondere Fälle soll es in Absprache von Eltern und Lehrern freiwilliges Wiederholen geben.

Für "großzügige Lösungen" plädiert auch Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre: "Wer ein positives Semesterzeugnis hat, soll aufsteigen dürfen. Für jene, die negative Noten hatten, braucht es faire Lösungen, gezielte Unterstützung und die Möglichkeit, sich noch auszubessern." (Lisa Nimmervoll, 17.4.2020)