Blicken wir kurz zurück auf die Anfänge der Elektromobilität. Nicht ganz zum Anfang, in die Ära des jungen Ferdinand Porsche, sondern näher bei uns, umrissen mit den Stichworten Leaf, i3, Zoe, e-up!, e-Golf. Bei diesem ersten Schwung von Mobilitätswendemobilen ging es um die Frage, von ei nem konventionell motorisierten Fahrzeug auch einen elektrischen Ableger herzustellen oder ganz eigene Wege zu beschreiten.

Nissan entschied sich mit dem Leaf 2010 für letztere Variante, BMW beim i3 2013 auch, sogar noch radikaler, berücksichtigt man, dass hier erstmals der sündteure Werkstoff Kohlefaser (CFK) zum Großserieneinsatz kam. Und bei Tesla (Model S: ab 2012) ist die Sache ohnehin klar, die Amis gibt’s ausschließlich elektrisch. Der Renault Zoe (ab 2014) ist ein Zwitterwesen – optisch signalisiert er Eigenständigkeit, technisch steht er auf derselben Plattform wie der damalige Clio. Und ganz klar, weil ohne Spurenverwischen geben sich VW e-up! (2013) und e-Golf (2014) als Derivate der jeweiligen Baureihen zu erkennen – beim MQB (Modularer Querbaukasten) waren ja E-Varianten bereits mitgedacht worden.

Ganz oben die kleine, die CMP-Plattform des PSA-Konzerns. Auf der entstehen zugleich verbrennungsmotorische und batterieelektrische Autos – ähnlich macht es BMW beim Zukunftsbaukasten...
Foto: Peugeot

Und jetzt Schnitt. Inzwischen sind ein paar Jahre ins Land gegangen, jeder Hersteller hat seine Lehren gezogen, die Kostenrechner hatten genügend Zeit, die sündteure Angelegenheit durchzukalkulieren, eine eigene Plattform zu konstruieren oder eben nicht, und es zeichnet sich eine Zweiteilung der Welt ab: hie alles in einem, da getrennte Wege für (immer stärker elektrifizierte) verbrennungsmotorisch hie, batterieelek trisch betriebene Fahrzeuge da.

Ausgefuchste Rechner

...im Bild: Studie iNext.
Foto: imago

Exemplarisch verkörpert finden sich die beiden Philosophien bei PSA (Peugeot, Citroën, Opel, DS; neuerdings in Allianz mit Fiat-Chrysler) und VW. Die Franzosen gelten als besonders ausgefuchste Kostenreduzierer, und nachdem sie den Taschenrechner eingepackt haben, kam dies heraus: Der Konzern stellt die komplette Modellpalette seiner Markenwelt auf zwei Plattformen. CMP (Common Modular Platform) für die kleineren Formate, EMP2 (Efficient Modular Platform 2) für die größeren. Batterieelektrische Autos ergeben vor allem in kleineren Dimensionen Sinn, orakelt PSA, in größeren setzt man lieber auf Plug-in-Hybride.

Und so entstehen auf CMP-Basis munter benzin-, diesel- und batterieelektrisch betriebene Autos nebeneinander, zu nennen wären beispielsweise DS_3 Crossback/ Crossback E-Tense, Peugeot 208/e-208 sowie 2008/e-2008 und Opel Corsa/Corsa-e.

Obwohl die E-Versionen also bei Konstruktion der Plattform bereits mitgedacht wurde, haben die Ingenieure bei so einer Lösung begreiflicherweise weniger Freiheitsspielraum als bei einer rein elektrischen, und damit Schwenk zum VW-Konzern.

Die Fraktion der getrennten Wege bei Verbrennern und E-Mobilen führt VW mit dem MEB-Baukasten an...
Foto: Volkswagen

Dort hatte sich herausgestellt, dass die T-förmige Einbauweise beim E-Golf nicht der Weisheit letzter Schluss war, also nahm man, klotzen statt kleckern, Milliarden in die Hand für eine eigene Plattform. Das zugehörige Kürzel MEB (Modularer E-Antriebs-Baukasten) ist auf bestem Weg zu einem Bekanntheitsgrad wie etwa GTI, und die Deutschen rollen darauf eine gigantische Offensive aus – noch heuer erwartet werden, wenn nicht Corona einen Strich durch die Rechnung macht, ID.3 (Golf-Größe), ID.4 (Tiguan-Format), Seat el-Born, Audi Q4 e-tron. 2021 geht es munter weiter.

MEB-Hauptvorteil: Unterschiedlich große Batterien für unterschiedliche Reichweiten lassen sich flach im Boden verbauen, Radstände und Spurweiten sind beliebig variierbar, und außer Heckantrieb ist auch Allrad unkompliziert machbar – PSA hingegen kann nur Frontantrieb.

Neben MEB mit E-Autos von Golf- bis über Passatgröße tüfteln Audi und Porsche an einer PPE (Premium Plattform Elektro) für größere, noblere und teurere Gebinde, Ende 2021 kommen die ersten Autos. Und schließlich ist auch noch eine E-Plattform für Kleinwagen (Format up!) angedacht.

Überzeugend

MEB hat offenbar derart überzeugende Argumente, dass Ford diese Plattform für eigene E-Mobile übernimmt. Nach nämlichem Muster hat jüngst GM eine reine E-Auto-Plattform vorgestellt, auf der Batterien von 50 bis 200 kWh untergebracht werden können, 19 verschiedene Konfigurationen von Akku- und Antriebseinheiten sind angedacht – für eine "breite Palette von Pick-ups, SUVs, Crossovern, Kompaktwagen und Nutzfahrzeugen".

Der koreanische Autoriese Hyundai-Kia, mit einer der Vorreiter bei alternativen Antrieben, setzt auf dieselbe Karte und legt sich nach MEB-Art eine eigene Elektroplattform zu. 2021 kommen die ersten Autos, die jüngst vorgestellte Studie Hyundai Prophecy macht schon einmal Appetit.

...Konzerne wie Hyundai (Bild: Studie Imagine by Kia) und GM verfolgen ähnliche Pläne.
Foto: Kia

Da klar ist, dass sich solche Plattformen nur bei gewaltigen Stückzahlen rentieren, geht Premiumhersteller BMW einen anderen Weg und macht es wie PSA mit CMP. Auf diesem hochflexiblen Zukunftsbaukasten sollen beliebig verbrennungsmotorische, Plug-in-Hybride und batterieelektrische Fahrzeuge entstehen, den Auftakt macht 2021 das Elektromobil i4. Daimler setzt auf eine ähnliche Mischstrategie. Die lautet zwar "Electric first", auf der neu entwickelten EVA-Architektur entstehen aber Fahrzeuge aus allen Antriebswelten. Erster E-Sendbote ist der EQA Ende des Jahres.

Und die Japaner? Nissan und Allianzpartner Renault fahren zunächst womöglich zweigleisig, sowohl als auch, haben aber auch eine reine E-Architektur im Talon, Renaults (verlängerbare) Studie Morphoz veranschaulicht, wie variabel man da aufgestellt sein wird. Toyota nutzt zunächst für Elektrofahrzeuge vermutlich die aktuellen Hybrid-Architekturen, man hat ja lange Erfahrung mit der Elektrifizierung. Honda hat eine eigene Plattform mit dem Honda e vorne weg, Mazda setzt im ersten Schwung auf PSA-Philosophie:_CX-30 und der Elektro-SUV MX-30 teilen sich dieselbe flexible Basis. Und Suzuki? Da wird’s noch dauern. (Andreas Stockinger, 25.04.2020)