Von der Normalität ist Wuhan noch weit entfernt.

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Zweifel am Zahlenmaterial Chinas zur Corona-Pandemie hatte es immer gegeben – am Dienstag musste die Regierung eingestehen, dass sie berechtigt waren. 3.869 Menschen seien nach aktuellen Zahlen in der Provinz Hubei an der Krankheit Covid-19 gestorben. Sie ist das Zentrum des Ausbruchs, ihre Hauptstadt ist Wuhan. Dort sind 1.290 mehr als bisher bekannt ums Leben gekommen – ein Zuwachs zur bisherigen Zahl um die Hälfte.

Wie es zu dem "Irrtum" kommen konnte, versuchte ein Sprecher des Außenamtes mit dem Stress zu begründen, unter dem das medizinische Personal beim Ausbruch der Infektionen im Jänner und Februar gestanden sei. Dass dies auf Anweisung geschehen sei, stellte Zhao Lijian aber in Abrede: "Eine Vertuschung gab es nicht, denn unsere Regierung verbietet Vertuschungen" China komme seiner "Verantwortung vor der Geschichte, den Menschen und den Verstorbenen" nach.

Kritik von Trump und Macron

Genau das aber steht als Verdacht weiter im Raum: spätestens seit Ende März das chinesische Magazin Caixin über lange Schlangen vor Bestattungsunternehmen in Wuhan berichtete sowie über die Bestellung zehntausender Urnen, deren Anzahl nicht mit den offiziellen Todeszahlen in Einklang zu bringen sei. Auch US-Präsident Donald Trump hatte vergangene Woche gesagt, das Zahlenmaterial aus China scheine ihm "etwas niedrig gegriffen" zu sein, es sei nicht glaubwürdig.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte Donnerstag in einem Interview mit der Financial Times angemerkt, es seien in China "gewiss Dinge passiert, die wir nicht wissen". Die britische Regierung wiederum hatte vor zwei Wochen über anonyme Quellen an Medien herangetragen, dass auch London nach der Krise eine "Abrechnung" mit China plane. Die fehlende Transparenz Pekings habe europäische Staaten ins Messer laufen lassen.

Streit der Systeme

Peking selbst sieht sich hingegen weiter bestätigt. Das autoritäre Regierungsmodell habe seine Vorteile im Kampf gegen die Virusgefahr gezeigt, legen offizielle Medien – sehr zum Ärger europäischer Regierungen – immer deutlicher nahe. In den zensurierten sozialen Medien versuchte Peking am Freitag, auch die korrigierten Zahlen aus Wuhan schönzureden: Diese seien ein Zeichen für die hohe Transparenz, der sich Peking verschrieben habe.

Zudem zeigt Peking auch auf Europa – und findet dabei in der Tat ebenfalls Ungereimtheiten. So hatte die spanische Region Katalonien ihre Todesbilanz erst vergangenen Mittwoch um 3242 Personen erhöht, die in Altenwohnheimen gestorben waren. Ähnliches geschah mehrfach in Frankreich, auch in Italien ist von unvollständigen Zahlen die Rede. Österreich meldet in unterschiedlichen Statistiken verschieden hohe Todeszahlen – begründet auch durch die Unklarheit, ob jeder Tod eines Sars-CoV-2-Infizierten ursächlich mit der Krankheit in Zusammenhang steht. Und auch in Großbritannien steht die Regierung am Freitag erneut in der Kritik. Sie ließ in einer "Orientierungshilfe" an Ärzte mitteilen, auf Totenscheinen müsse nicht "Covid-19" vermerkt werden. "Lungenentzündung" sei ausreichend. (Manuel Escher, 17.4.2020)