Innenminister Karl Nehammer wird von manchen Vorgängern für sein Vorgehen kritisiert.

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Gleich zwei seiner Vorgänger können dem Plan von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nicht viel abgewinnen: Herbert Kickl (FPÖ) spricht von einem "veritablen Rohrkrepierer". Und Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ist laut einem internen Papier in Sorge, dass es zu "Zurückhaltung von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern führen kann", wenn Kriminalbeamte bei der Befragung von Corona-Infizierten helfen.

Genau das hatte Nehammer am Donnerstag angeboten. Man wolle "die Flex" sein, die Infektionsketten trennt, daher sollen Landes- und Bundeskriminalbeamte künftig positiv Getestete nach ihren Kontakten und Aufenthaltsorten befragen. In Teilen der Politik und Zivilgesellschaft stößt das Angebot nun aber auf Ablehnung.

Mikl-Leitner in Sorge um Vertrauen

So erklärte die niederösterreichische Landeshauptfrau Mikl-Leitner in dem Schreiben, das der APA vorliegt und an die zuständigen Stellen des Landes Niederösterreich ging, man vertraue weiter auf die Gesundheitsbehörden. Man habe 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz, die überwiegende Mehrheit der Erkrankten arbeite dabei sehr offen mit den Behörden zusammen. Daher habe man nicht den Eindruck, dass zusätzliche Institutionen die rasche und vertrauensvolle Zusammenarbeit verbessern würden.

Wohlgemerkt: Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonte schon bei der Präsentation des Plans, man würde es den Gesundheitsbehörden, also den einzelnen Landessanitätsdirektionen, selbst überlassen, ob sie das Angebot Nehammers annehmen wollen. Von ihm, Anschober, gebe es keine diesbezügliche Weisung.

Kickl: Kranke kriminalisieren

Von FPÖ-Klubobmann Kickl heißt es, es sei "höchst bedenklich", wenn Nehammer versuche, "infizierte Menschen zu kriminalisieren". Er "missbrauche die Polizei, um eine kollektive Kriminalisierung" voranzutreiben, wird Kickl in einer Aussendung des Parlamentsklubs zitiert.

Auch der stellvertretende SPÖ-Klubchef meldete sich per Aussendung zu Wort: Es sei Sache der Gesundheitsbehörde, nicht aber der Sicherheitsbehörde, Corona-Infizierte zu identifizieren. Jörg Leichtfried fordert von Nehammer, sich für seine Wortwahl zu entschuldigen, immerhin habe er nicht nur von der Polizei als Flex, sondern auch von "Glutnestern der Infektion" gesprochen. Politiker müssten wissen, "dass entsprechende Sprache der Boden für Gewalt ist", so Leichtfried.

Ärztinnen und Ärzte gegen die Hilfe der Beamten

Auch aus medizinischen Kreisen kommt Kritik. Die Initiatoren der Petition "Corona-frei geht nur gemeinsam", in der unter anderem mehrsprachige Meldestellen gefordert werden, will eine strikte Trennung von Gesundheitsbehörden und Polizei. Die Argumentation: Eine Involvierung der Polizei erhöhe die Hürden für undokumentierte Menschen, sich im Krankheitsfall zu melden.

Ekkehard Madlung-Kratzer, Unterzeichner der Petition, ist Psychiater in den Tiroler Kliniken. Im STANDARD-Gespräch sagt er: "Wenn Gesundheitliches und Fremdenpolizeiliches vermischt wird, ist das in Wirklichkeit eine Drohung." Für Menschen, die bei Polizeikontakt Angst hätten, abgeschoben zu werden, könne dies existenzbedrohend sein, "wenn man sich denkt, die Krankheit übersteh' ich lieber, als dass ich sie der Polizei melde".

Allgemeinmedizinerin Ursula Hammel, ebenfalls Unterzeichnerin, sagt, die Überlegung sei zwar aus epidemiologischer Sicht nachvollziehbar. Die Gefahr liege aber darin, dass unehrliche Angaben gemacht werden, wenn Polizeibeamte im Spiel sind. "Und wenn ich dann Leute im Freundeskreis habe, die nicht legal da sind, wird es schwierig", sagt sie.

Daten bleiben bei den Gesundheitsbehörden

Schon am Donnerstag betonten die Minister Anschober und Nehammer: Die Daten, die Kriminalbeamte erheben, blieben bei den Gesundheitsbehörden. Diesen obliegt es auch, ob sie die Polizei zur Hilfe hinzuziehen. Das Innenministerium war nach Aufkommen der Kritik noch nicht für den STANDARD für eine Stellungnahme erreichbar.

Einfach die Auskunft zu verweigern ist übrigens kein Ausweg. Laut Epidemiegesetz sind jene, die eine anzeigepflichtige Krankheit haben oder verdächtigt werden, eine solche zu haben, verpflichtet, den zuständigen Behörden Auskünfte zu erteilen. Wer das nicht macht, kann mit bis zu 1.450 Euro bestraft werden. (elas, 17.4.2020)