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In der ukrainischen Hauptstadt Kiew steht der Rauch tief.

Foto: Reuters / GLEB GARANICH

Tschernobyl – Starker Wind hat den Rauch der Schwelbrände um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl in die ukrainische Hauptstadt Kiew getrieben. Das Gebiet ist radioaktiv belastet. "In Kiew gibt es nur Rauch, keine Radioaktivität", versicherte Bürgermeister Witali Klitschko am Freitag via Facebook. Kiew liegt rund 70 Kilometer von der Tschernobyl-Sperrzone entfernt, wo die Löscharbeiten nach wie vor im Gange sind.

Zuvor hatte die Stadtverwaltung dazu geraten, die Fenster zu schließen und nicht auf die Straße zu gehen. Die Einwohner der Dreimillionenstadt sollten viel trinken und Innenräume feucht wischen. Um den Staub mit Brandteilchen zu binden, ließ die Stadt die Straßen bewässern.

Keine erhöhte Strahlenbelastung laut deutschen Behörden

Das auf Messungen der Luftqualität spezialisierte Schweizer Unternehmen IQ Air maß in Kiew eine der weltweit schlimmsten Luftverschmutzungen. Unabhängige Experten bestätigten jedoch, dass die Strahlenbelastung nicht über der Norm lag. Neben dem Waldbrand machten die Behörden auch die in der Ukraine übliche Praxis, trockenes Gras zu verbrennen, für die Rauchentwicklung verantwortlich.

Die Organisation "Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs" (IPPNW) zeigte sich angesichts der Brände kurz vor dem 34. Jahrestag des Atomunglücks besorgt. Der Co-Vorsitzende Alex Rosen nannte einer Mitteilung zufolge die Reaktion der ukrainischen Behörden eine "Wunschvorstellung und Beruhigungsmaßnahme für die Bevölkerung". Die Organisation geht davon aus, dass substanzielle Mengen an Radioisotopen mobilisiert worden seien. Durch Einatmung im Körper abgesetzte Partikel könnten zu Krebserkrankungen führen. "Wie damals in 1986 hängt das Schicksal der Bevölkerung von der Richtung des Windes ab", erklärte die Organisation.

Messdaten der deutschen Botschaft in Kiew zufolge gibt es keinen Grund zur Beunruhigung. "Die Messwerte der Strahlenbelastung sind stabil und liegen weiterhin unterhalb der Werte etwa von Berlin-Wannsee", schrieb die Botschaft in einer Mitteilung an deutsche Staatsbürger in der Ukraine. Dem Bundesamt für Strahlenschutz zufolge seien die Messwerte unbedenklich.

Appell aus Niederösterreich

Dem Katastrophenschutzdienst zufolge dauerten die Löscharbeiten in der Sperrzone weiter an. Rund 1.100 Feuerwehrleute wässerten, unterstützt von Hubschraubern, an einzelnen Abschnitten verbliebene Glutnester und Baumreste. Durch die vor knapp zwei Wochen ausgebrochenen Feuer brannten offiziellen Angaben nach etwa 11.500 Hektar ab.

Dies veranlasste am Freitag auch die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), auf die Sicherheitsrisiken der Atomkraft hinzuweisen. In einem Brief an Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) forderte sie internationale Hilfestellung und unterstützende Maßnahmen für die Region rund um die AKW-Ruine. "Aus dieser kritischen Situation in Tschernobyl darf kein Sicherheitsrisiko für Österreich entstehen. Dieser Vorfall bestätigt einmal mehr, dass die Atomkraft strikt abzulehnen ist", schreibt Mikl-Leitner in einer Aussendung. (APA, 17.4.2020)